Schlagwort-Archive: Ensemble KNM Berlin

Voll und ganz ein Musiker des 20. Jahrhunderts

Neos 10945; EAN: 4 260063 109454

This is a free design for Deviantart Photoshop Files. Created with a Creative Commons Licence (http://creativecommons.org/licenses/by-nd/3.0/) Rules for use: 1. When using this template, post copyright post in your project. Always link to this deviant page for copyright. Include author name and link. 2. Do not sell, redistribute or copy this file. 3. Downloads are only from this URL. 4. When using in your project, leave a comment with link to project please...

Kammerensemble-Werke finden sich auf der Portrait-CD von Silvestre Revueltas, gespielt vom Ensemble KNM Berlin unter Roland Kluttig: Caminando, Ocho por Radio, Planos, Two Little Serious Pieces, Toccata (sin fuga), Tres Sonetos, „No sé por que piensas tú…“, Homanaje a Federico García Lorca und Sensemayá des mexikanischen Komponisten sind hier zu hören. Rezitator  in den Sonetos und Bariton in „No sé por que piensas tú…“ ist Gabriel Urrutia.

Geboren am letzten Tag des 19. Jahrhunderts, war Silvestre Revueltas anscheinend direkt dazu vorbestimmt, zusammen mit dem kurz darauf geborenen Carlos Chávez Ramírez das 20. Jahrhundert in Mexiko musikalisch einzuläuten, und genau dies machte sich der bereits 1940 (vermutlich an einer Alkoholvergiftung) verstorbene Komponist, Violinist und Dirigent zur Lebensaufgabe. Die meisten seiner Werke entstanden erst in den 1930er Jahren, jedoch findet sich hier ein reiches Oeuvre vielseitiger Musik. Eine bunte Auswahl der Jahre 1933 bis 1940 an Ensemblewerken präsentiert vorliegende CD aus dem Hause Neos. Es ist eigentlich unmöglich, die Musik auf einen gemeinsamen Nenner herunterzubrechen, so divergierend geben sich die einzelnen Werke. Manche sind von mexikanischem Lebensgefühl durchzogen und bilden dieses auf prägnante Weise ab (Caminando, Ocho por Radio), andere weisen eine kubistisch-modernistische Struktur voller Dissonanzen auf (Planos), dann gibt es dicht polyphone (First Little Serious Piece) wie auch ganz schlicht gebaute (Second Little Serious Piece) Stücke und ebenso solche, die diese Stile additiv reihen (Toccata [sin fuga]). Alle haben sie eine absolute Präsenz gemeinsam, einen alles durchwehenden wachen Geist und aufrüttelnde rhythmische Prägnanz. Trotz aller Verschiedenheiten trägt aber doch alles die unverkennbare Handschrift Revueltas‘. Ein typisches Merkmal wird besonders deutlich in Homenaje a Federico García Lorca bemerkbar, nämlich das stetige Insistieren auf dem einmal gefundenen musikalischen Gedanken, der sich als Melodiefetzen oder Bassmodell überall durchzieht und in verschiedenstem Licht aus immer neuen Perspektiven beleuchtet wird. Amüsant erweist sich besonders der dritte Satz, Son (Ton), der immer wieder ein Ende vortäuscht und dann doch weitergeht. Modernes Fortschrittsdenken und nationale Identifikation sind gleichermaßen Elemente des Stils von Silvestre Revueltas. Eine große Affinität wies er zu Lyrik auf, die er immer wieder als Anregung zu Vertonungen nutzte, wie hier durch die rezitierten Tres Sonetos und „No sé por que piensas tú…“ vertreten.

Das Ensemble KNM Berlin unter Roland Kluttig traf eine interessante und vielgestalte Auswahl an Werken des Mexikaners, die sein Schaffensspektrum recht repräsentativ abzubilden vermag. Das Ensemble spielt mit großer Anteilnahme und sichtlicher Freude an der Musik, alles ist rhythmisch exakt und die Musiker vermögen dank der trennscharfen Instrumentation einen passend heterogenen Klang zu erzeugen, der auch in den polyphonsten Passagen durchhörbar bleibt. Der Klang zeichnet sich durch eine Schärfe aus, die stets etwas Bestimmtes und Selbstbewusstes ausstrahlt. Teils fehlt etwas der durchlaufende Bogen durch die Werke, wobei hier meines Erachtens fraglich ist, inwieweit dieser überhaupt realisierbar ist bei solch brüchigen Kontrasten wie in der Musik Silvestre Revueltas‘. Wenig einzupassen vermag sich die Stimme von Gabriel Urrutia, die bei den Tres Sonetos zu sehr im „Sing-Sang“ befindlich ist (vor allem im ersten Soneto, „Vuelvo a ti, soledad, agua vacía“), zu dominant im Vordergrund steht und in „No sé por que piensas tú…“ einen allzu prätentiös-opernhaften Ton anstimmt, anstatt sich dem begleitenden Ensemble und auch dem Lied an sich angemessen etwas mehr zurückzuhalten. Hingegen kann die instrumentale Leistung des KNM Berlin wesentlich mehr hervorstechen und der leider nach wie vor viel zu unbekannten Musik dieses großartigen Komponisten durchaus gerecht werden.

[Oliver Fraenzke, Juni 2016]