Archiv für den Monat: März 2018

„Ich glaube an Bach, Mozart und Nielsen und an die absolute Musik“

Chandos, CHSA 5194; EAN: 0 95115 51942 4

Vorliegende Aufnahme des Labels Chandos enthält Orchesterwerke von Dag Wirén: Wir hören die Dritte Symphonie Op. 20, die Serenade Op. 11, das Divertimento Op. 29 sowie die Sinfonietta Op. 7a, gespielt vom Iceland Symphony Orchestra unter der Leitung von Rumon Gamba.

Das hier als Überschrift fungierende Zitat des Schweden Dag Wirén versinnbildlicht seine Herangehensweise an das Komponieren. Wirén wurde mit Lars-Erik Larsson, Gunnar de Frumerie und Erland von Koch in eine Komponistengeneration hineingeboren, die von den Musikologen als schwedischer Neoklassizismus benannt wurde. Dieser entfaltete sich auf den Errungenschaften Nystroems und Rosenbergs, welche die Nationalromantik ablösten, indem sie die Musik zunehmend modernisierten. Wirén schnitt seine Musik auf den Hörer zu, nicht auf die ideologisch ausgerichtete Fachpresse. Er besann sich zurück auf die Epoche der Klassik sowie auf Bach und integrierte in gleichem Maße nordische Anklänge in seinen Stil. An Stelle einer komplexen Kontrapunktik tritt eine Melodie in Führungsfunktion, von einer oft rhythmisch und chromatisch aufgeladenen Begleitung sekundiert. Die Musik hegt den Wunsch, zu unterhalten, verfehlt jedoch zu keiner Zeit künstlerischen Wert und Anspruch. Sein Leben lang verfeinerte Wirén seinen Stil immer weiter, entsagte allem Überfluss und Schwulst in der Musik – ein Ideal, das er mit Jean Sibelius teilte.

Ansprechend gestaltet sich die Aufnahme mit Rumon Gamba und dem Iceland Symphony Orchestra vor allem in den kurzen Sätzen der Streicherserenade und des Divertimentos. Der Dirigent zieht den Reiz der Stücke aus ihrer prägnanten Kürze und der Einprägsamkeit der Themen. Aus der Sinfonietta, einer Umarbeitung einer Jugendsymphonie, und der umfangreicheren Dritten Symphonie holt Gamba hinreißende Details und sorgt für lebendige Vielfalt im vitalen Orchestersatz. Es gelingt ihm allerdings nicht unbedingt, die umfangreicheren Sätze als musikalische Einheit zu erfassen, die äußerlich klare Form mit innerem Sinn und bezwingender Folgerichtigkeit zu erfüllen.

Die Chandos-Aufnahme überzeugt im Großen und Ganzen durch Musizierfreude und klanglichen Reiz, sie belebt einen in den letzten Jahren immer weiter an den Rand der Wahrnehmung gedrängten Komponisten wieder, der auf hohem Niveau für den einfachen Hörer schrieb, und dem viel mehr Aufmerksamkeit zusteht.

[Oliver Fraenzke, März 2018]

Licht und menschliche Werte

timezone, TZ1510; EAN: 4 260433 515106

„An Ode to the Light“ heißt das Debutalbum des in München lebenden griechischen Schlagzeugers Christos Asonitis mit seinem Quintett. Es spielen Bastien Rieser an der Trompete, Mark Pusker am Altsaxophon, Maruan Sakas am Klavier sowie Lorenz Heigenhuber auf dem Kontrabass. Alle Stücke wurden von Asonitis notiert und arrangiert, lediglich „Ta Mataklada Sou Laboun“ entspringt der Feder von Markos Vamvakaris, dem 1972 verstorbenen Bouzoukispieler.

„Die Musik dieses Albums ist in erster Linie von menschlichen Werten und Idealen inspiriert, wie sie durch die antike griechische Philosophie und Religion ausgedrückt und durch die Reinheit, Energie und Vitalität des Lichts (fos) symbolisiert werden.“ Dieses Zitat gibt Christos Asonitis seiner CD „An Ode to the Light“ als Geleitwort mit. Es sind die einzigen der CD beigefügten Zeilen, mit welchen er auf Konzeption, Idee und Musik vorliegender Aufnahme eingeht; daher gebührt ihnen eine gewisse Aufmerksamkeit.

Es ist nicht der Regelfall, dass ein Schlagzeuger die Stücke schreibt und arrangiert – und dazu noch die Bescheidenheit besitzt, sich kein einziges Solo auf den Leib zu schneidern, abgesehen von einem stimmigen Intro zu „Ancient Dance 490 B.C.“. Wie die mutmaßlichen Wurzeln antiker Musik beginnt das Stück mit nacktem Rhythmus, danach erst tritt die Melodie hinzu. Im Vordergrund steht auf diesem Album die Gemeinschaft, die Menschlichkeit und das Zusammenwirken. Die vielfältige Rhythmik zeugt natürlich davon, dass Asonitis vom Schlagwerk aus denkt, wobei er Einflüsse seiner griechischen Heimat mit anderen, besonders aus der Karibik stammenden, fusioniert, nicht weniger freilich erweist er sich als begabter Melodiker. Die Grundbausteine der Stücke sind markant und eingängig, wodurch die Musiker hervorragende Vorlagen bekommen, um sich improvisatorisch frei entfalten zu können. Gemeinsam als Quintett gelingt eine Geschlossenheit des Ausdrucks, der formalen Dynamik, und grundsätzlich der dramaturgischen Konzeption der Stücke. Selbst Formen von über zehn Minuten Dauer bleiben interessant und unbelastet von nervenden Längen. Keiner der Musiker drängt sich in den Vordergrund. Alle fünf hören stets gegenseitig aufeinander und geben je ihren Teil hinzu, um die Ganzheit mitzutragen und zu fantasievoll bereichern.

[Oliver Fraenzke, März 2018]

Mozart-Matinée am 25. März im Herkulessaal

Kammerphilharmonie Da Capo: Alberto Ferro, Klavier; Franz Schottky, Dirigent

Kann es etwas Schöneres geben als einen sonnigen Sonntag-Vormittag und eine Matinée im Münchner Herkulessaal mit Musik von Mozart und Haydn?

Das Publikum wusste die Antwort, es strömte in hellen Scharen herbei. Nachdem die Musikerinnen und Musiker Platz genommen hatten, begrüßte Dirigent Franz Schottky auf seine ganz persönliche Weise die Hörer und sprach einige Worte zum folgenden Stück von Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791), der Haffner-Symphonie. Sie entstand in einer äußerst arbeitsreichen Phase –Mozart arbeite unter anderem gerade an der „Entführung aus dem Serail“, lehnte aber dabei den Auftrag für die Adelerhebung der befreundeten Familie Haffner nicht ab. Beim Überarbeiten ein Jahr später stellte er selbst fest, was ihm da für ein Meisterwerk gelungen war.

Die Kammerphilharmonie Da Capo mit dazugekommenen Bläsern ließ unter der Stabführung von Franz Schottky auch gleich vernehmen, was für ein immer wieder staunenmachender „Komponierer“ dieser  „Donnerblitzbub“ Mozart doch gewesen ist. Das Allegro con spirito erklang in all seiner Größe und seinem Wohlklang vom ersten Ton an. Besonders schön gelang der zweite Satz, das Andante. Dass sich Bläser und Streicher natürlich die Bälle zuspielten, zu einem wunderbaren Gesamtklang – im piano wie im forte – zusammenfanden, ist klar. Natürlich kennt „man“ diese Musik, aber sie live in statu nascendi zu erleben, ist dann doch etwas ganz anderes als daheim auf einer noch so guten HiFi-Anlage. Der zweite wie auch der dritte Satz im Dreier-Takt machten den ganzen Zauber dieser Musik hörbar, ebenso der schnellere Presto-Satz, der aber nie oberflächlich dahin huschte, es wurde genau so intensiv musiziert wie alle anderen drei Sätze dieser herrlichen Meistersymphonie auch. Eine wahre Sonntags-Musik! Den entsprechend wichtigen Bläsern wurde ganz spezieller Beifall zuteil, wie natürlich auch dem gesamten Orchester.

Nach einer kurzen Umbau-Pause kam zum zweiten Stück, dem 11. Klavierkonzert D-Dur von Joseph Haydn,  der junge italienische Pianist Alberto Ferro auf die Bühne. Haydns Klavierkonzerte stehen etwas im Schatten seiner Symphonien oder seiner Streichquartette wie auch Oratorien, was aber ein Irrtum ist, wie uns in diesem Konzert gezeigt und vorgeführt wurde. Nach einer kurzen Orchester-Einleitung beginnt der Solist sehr lebhaft. Und Haydns Musik entfaltet melodiös aber auch rhythmisch prägnant alles, was dem Komponisten an Witz, Humor und Einfall zu Gebote stand. Ein Furioso an bewegendsten Klängen, Harmonien, Melodien und Ideen, beim langsamen Andante-Satz ebenso wie beim schnellen Rondo all’ Ungarese, in dem der Pianist all seine Spielfreude in den Dienst dieser großartigen Musik stellte. Das Orchester begleitete bravourös, ließ dem Solisten immer den Raum und auch die Zeit, damit sich Haydns wahre Größe adäquat zeigen konnte. Die Bravos im Schlussapplaus ließen Alberto Ferro ein kleines, überaus sprudelndes und vergnügliches Stück von Gioacchino Rossini als Zugabe spielen.

Nach der Pause stellte Franz Schottky die beiden anderen Stücke von Mozart vor: Adagio und Fuge in c-Moll KV 546, die Mozart im Zusammenhang mit seiner Beschäftigung mit der Musik von Georg Friedrich Händel und Johann Sebastian Bach komponierte, im strengen Fugenstil, und zum Abschluss ds Konzertes die berühmte g-Moll-Symphonie KV 550. Nur das Streichorchester spielte KV 546 mit einer langsamen Adagio-Einleitung, die doch sehr an die barocken Vorbilder erinnert, was allerdings die anschließende Fuge mit ihrem Thema – zuerst von den Celli und Kontrabässen vorgetragen dann durch alle Instrumental-Gruppen wandernd – nicht mehr tat. Was Mozart da an musikalischer und kompositorischer Raffinesse aus dieser strengen Form herausholt, verblüfft auch heute noch, mehr als zweihundert Jahre später. Natürlich war die Kammerphilharmonie in ihrem Element. Der Streicherklang ist „deutsch“, voll und doch durchsichtig und sehr klar die Stimmen aufeinander bezogen.

Zum letzten Stück, der g-Moll Symphonie, kamen noch einmal die benötigten Bläser hinzu. Auch hier wieder: Diese Symphonie ist zwar wohlbekannt, wenn man sie aber im Augenblick des Entstehens hört, ist es doch etwas ganz anderes und berührt auf völlig andere Weise. Die Trias der drei späten Symphonien könnte man durchaus als Mozarts symphonisches Vermächtnis beschreiben, wobei diese melancholischste in g-moll am meisten in die Tiefe des Erlebens geht. Franz Schottky und die Musikerinnen und Musiker der Kammerphilharmonie Da Capo überzeugten mit ihrer Darbietung und ließen uns alle beglückt diese „Ungeheuerlichkeit“ erleben. Vom eröffnenden Molto allegro über das Andante und Menuetto Allegretto bis zum vierten Satz, dem Allegro assai, war die seit ihrer Entstehung so bewegende Symphonie hier wieder einmal in all ihrer Einzigartigkeit und Größe zu erleben. Begeisterter Beifall im sonntäglichen Herkulessaal und Danke für diese musikalische Sternstunde!

[Ulrich Hermann, März 2018]

Durch und durch menschlich

Dacapo, 8.226125; EAN: 6 36943 6152 1

Danish National Concert Choir und Danish National Symphony Orchestra spielen unter Leitung von Laurence Equibey das dramatische Gedicht Comala op. 12 nach Ossian für Soli, Chor und Orchester des dänischen Komponisten Niels W. Gade. Die Solisten sind Marie-Adeline Henry, Markus Eiche, Rachel Kelly und Elenor Wiman.

Niels Gades dramatische Tondichtung Comala op. 12 nach einem Libretto von Julius Klengel gehört zu denjenigen Werken seiner frühen Phase, in denen noch der nordische Freigeist durchschimmert. Die gut dreiviertelstündige weltliche Kantate ist schlicht gebaut, beschränkt sich auf die wesentlichsten Elemente und ist gerade daher so unmittelbar in ihrer packenden Wirkung. Die eingängigen Melodien und bildhaften Strukturen lassen die Vorbilder Mendelssohn und Schumann durchscheinen, doch pflegt Gade hier den folkloristisch angehauchten Ton, der ihm vor allem später durch konservativen Akademismus weitgehend abhanden gekommen ist. Sein Frühwerk besticht mit der Ungeschliffenheit, die es so natürlich und ansprechend macht.

Comala geht auf die Lyrik von James Macpherson zurück und folgt damit dem nach Schottland gewandtem Trend, der bereits Mendelssohn faszinierte und den Gade in seinen ersten Werken übernahm. Gewisse inhaltliche Parallelen finden sich hier zu Goethes Erlkönig: In beiden Gedichten hat die Hauptperson Wahnvorstellungen, die sich durch Naturphänomene erklären lassen, welche zum Tod führen. Und natürlich zu Shakespeares Romeo and Juliet mit dem auf falscher Annahme beruhenden Selbstmord Julias. Comalas Halluzinationen drehen sich um ihren Mann, den Fürsten Fingal, welcher in den Krieg gezogen ist. Vor ihrem inneren Auge sieht sie ihn geschlagen und getötet, fliehende Krieger und ein Chor der gefallenen Geister ziehen herauf. Doch Fingal kehrt siegreich zurück – findet allerdings seine Geliebte tot, zugrunde gegangen an ihrer unermesslichen Trauer.

Laurence Equibey macht sich die Einfachheit der Kantate zunutze, um umso ausdrücklicher auf ihren emotionalen Gehalt einzugehen. Die genaue Ausführung der kleingliedrigen Crescendi und Decrescendi entfaltet große Wirkung. Die Wiederholung wird vor allem im Chor zur Tugend und wirkt recht glaubhaft, vor allem als Soldatenchor zu Beginn oder als Geisterchor. Angenehm ist, dass Comala, Fingal und Melicoma nicht opernhaft schmettern und ihre Stimmen zur Schau stellen, sondern oratorienhaft kultiviert darauf bedacht sind, den poetischen Gehalt des Textes hervorzuheben, sie singen klar, ausgewogen und textverständlich. Die Darstellung ist sehr menschlich, nicht artifiziell ins Sensationsheischende geschraubt – was der hymnischen Anmut des Werkes entspricht.

[Oliver Fraenzke, März 2018]

Im All

Ondine, ODE 1303-2; EAN: 0 761195 130322

 

Olari Elts dirigiert die Tapiola Sinfonietta in Werken des 1959 geborenen Esten Erkki-Sven Tüür. Solist in Illuminatio für Bratsche und Orchester von 2008 ist Lawrence Power, in Whistles and Whispers from Uluru für Blockflöten und Streichorchester von 2007 ist Genevieve Lacey zu hören. Als letztes spielt das Orchester noch Tüürs 2010 komponierte Achte Symphonie.

Erkki-Sven Tüür avancierte in den letzten Jahrzehnten zu einem der bedeutendsten Komponisten Estlands, steht mittlerweile neben Arvo Pärt als bekannteste Zeitgenosse des baltischen Staats da und genießt ähnliche Reputation wie die Järvi-Dynastie. Gründe für diese ansteigende Popularität gibt die Musik genug: Sie ist eigenwillig, unorthodox und wiedererkennbar, zugleich verständlich und auf eine bestimmte Weise eingängig. Innere Geschlossenheit und sinnfällige Form geben dem Hörer Halt, der Komponist bezeichnet seine Vorgehensweise in dieser Hinsicht als „vektorielles“ Komponieren. Klanglich darf es gerne auch etwas abgedreht, „spacig“, sein, ein Gefühl der Schwerelosigkeit stellt sich immer wieder ein. Tüürs Musik bewegt sich im All, hinreißende Klangbilder glühen auf und verglimmen auf der kontinuierlichen Reise durch farbenprächtige Musiklandschaften, der Hörer wird in eine fortwährende Faszination hineingezogen.

Illuminatio, „eine Pilgerreise hin zum ewigen Licht“, wie Tüür es bezeichnet, ist beispielhaft für angesprochene Merkmale dieser Musik, die omnipräsente Bratsche bewegt sich durch die galaktische Vielstimmigkeit hindurch und reflektiert das Erlebte, bis sie schließlich vom Orchester überrannt wird und nur noch in geisterhafter Ferne nachklingt. Whistles and Whispers from Uluru verlangt dem Blockflötisten alle nur erdenklichen Techniken ab, wodurch denn auch einmalige Effekte entstehen – bestechend ist vor allem der plötzliche Didgeridoo-Sound durch paralleles Spielen und Singen. Erweitert wird diese Klanglandschaft durch elektronische Einwürfe, die besonders mit Kopfhörern oder zu echtem Stereoklang fähigen Lautsprechern geradezu überirdisch erscheinen. Die Achte Symphonie wirkt beinahe kammermusikalisch und ist relativ klein besetzt, verdient aber durch Bedeutung und Gehalt ihren würdigen Platz inmitten der bislang neun gezählten Symphonien Tüürs.

Die Tapiola Sinfonietta unter Olari Elts bezaubert mit meditativer Ruhe und Empfänglichkeit für musikalische Phänomene. Die Musiker selbst sind ergriffen von der Musik, können allerdings abstrahieren, sich distanzieren und reflektieren, wodurch eben dieses Gefühl sich auch auf den Hörer überträgt. Unglaubliches leisten die beiden Solisten: Lawrence Power geht phänomenal auf das Orchester ein und reagiert augenblicklich auf dessen musikalische Impulse, bis es an ihm ist, die Führung zu übernehmen, von wo an ihm dann das Orchester folgt. Dies, was ein wahrhafter Solist können sollte, wird von Power eindrucksvoll demonstriert. Genevieve Lacey lässt nichts übrig vom Klischee der Schul-Blockflöte. In die höchsten Höhen schraubt sie sich auf den kleinsten Vertretern ihres Instruments, spielt zeitweise auch zwei Flöten zeitgleich, nichts ist ihr zu schwierig oder komplex. Dabei behält sie virtuose Leichtigkeit und inniges Gefühl, wandelt flexibel zwischen schlichtem Effekt und substanziellem Musizieren.

[Oliver Fraenzke, März 2018]

Zwei Hauptwerke von Gérard Grisey

Zum musica viva Wochenende im März gab es drei Konzerte. Das Orchesterkonzert am 16.3. im Herkulessaal und die Matinee am 18.3. im Funkhaus widmeten sich je ausschließlich einem Hauptwerk des französischen Spektralisten Gérard Grisey (1946-1998) und bewiesen, dass auch Neue Musik durchaus repertoirefähig ist und echte Meisterwerke nach einiger Zeit zu bejubelten Klassikern werden können.

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(c) Astrid Ackermann

Gérard Grisey gehörte zur ersten Generation der sogenannten französischen Spektralisten (mit H. Dufourt, T. Murail und M. Levinas), die sich eine genaueste Erforschung und – immer mikrotonale – Synthese von Klangfarbe auf ihre Fahne geschrieben hatte. Die Entstehung des aus sechs Sätzen bestehenden Zyklus Les Espaces Acoustiques, deren Besetzung sich stetig von einer Solo-Bratsche bis zum großen 85-Spieler-Orchester plus vier Solo-Hörnern steigert, entstand im langen Zeitraum von 1974-1985. Auch bei dieser Aufführung im voll besetzten Herkulessaal schlug das gut 100-minütige Werk – es gab die übliche Pause nach dem dritten Satz Partiels – die Zuhörer in jeder Sekunde in seinen Bann.

Der britische Dirigent Stefan Asbury hat dieses Schlüsselwerk des Spektralismus schon vor zehn Jahren am gleichen Ort mit dem Symphonieorchester des BR dargeboten, und das war bereits exzellent. Durfte man also eine weitere Steigerung erwarten? Ganz klar: Ja – und das erfüllte sich von Beginn an. Schon das einleitende Solo (Viola: Benedict Hames) gerät faszinierend – man hätte bei den leisen Stellen und den Momenten der Stille eine Stecknadel fallen hören können. Beim 2. Satz (der attacca anschließt) gesellt sich die Bratsche dann zu sechs weiteren Spielern und der Dirigent tritt hinzu; Asbury dirigiert vor der Pause ohne, danach bei den größeren Besetzungen mit Taktstock. Sein Dirigat wirkt schon äußerlich noch zwingender als 2008 – geradezu magisch, wie er die Musiker mit der Linken vor allem dynamisch quasi direkt „an die Hand nimmt“. Das sieht nicht nur schön rund aus, sondern klingt auch fantastisch – ein ganz und gar organisches Musizieren. Asbury hatte in der Einführung betont, dass es bei Grisey immer gravity gebe – also etwas, dass der Musik Bodenhaftung verleiht, ähnlich der verlorenen Funktionsharmonik. Das gelingt Grisey natürlich völlig anders, aber gerade die Momente überzeugen, wo sich der Klang nach extremer Verdichtung wieder konzentriert zurückzieht – das kann in einen simplen Septnonakkord münden oder auch einfach in: Stille. Hatte sich 2008 im 3. Satz das Septett des zweiten auf 18 Spieler erweitert, sitzt dafür diesmal ein komplett eigenes, neues Ensemble auf der Bühne. Wenn das intensivere Probenmöglichkeiten in der Vorbereitung bot, so hat es sich jedenfalls bezahlt gemacht; alles wirkt perfekt abgestimmt.

Nach der Pause wird es nach und nach auch mal so richtig laut. Im sechsten Satz, der mit einer Reminiszenz an das anfängliche Bratschensolo beginnt, greifen die 4 Solohörner beherzt ein und zerstören lustvoll alles, was sich ihnen noch in den Weg zu stellen wagt – und das macht offensichtlich nicht nur allen beteiligten Musikern, sondern auch dem Publikum Spaß! Ein wirklich grandioser Abend, der einmal mehr die Ausnahmestellung von Griseys Musik unter Beweis stellt.

Am Sonntag dann im Funkhaus ein spätes Meisterwerk: Vortex Temporum für Klavier, Streichtrio, Flöte und Klarinette. Wie der Titel schon vermuten lässt, setzt sich Grisey hier in knapp 40 Minuten äußerst subtil mit dem menschlichen Zeitempfinden auseinander. Wiedererkennbare Figurationen und rhythmisch stabil ablaufende Anschnitte wechseln mit fast stehenden Klangmonolithen ab – die einzelnen Klangereignisse sind da oft an der Grenze des überhaupt noch Wahrnehmbaren. Erstaunlicherweise ist das Zeitempfinden aber wohl genau umgekehrt als erwartet: Die Blöcke mit quasi gebundenem Rhythmus können sich verlieren, so dass fast der Eindruck von Unendlichkeit entsteht – wie gerade auch beim Schluss. Die eher flächigen Klangereignisse halten dagegen „wach“ und die Spannung aufrecht: Dass hier im Detail in der Tat mehr passiert, zeigt sich in der Partitur, aber auch daran, wie sich hier die Spieler untereinander dirigieren müssen. Das hätte mit dem bei diesem Stück eigentlich üblichen Dirigenten womöglich noch präziser geklappt, wobei solches Gezappel dann aber bestimmt das Ohr auf die fein austarierten Klänge, die da zu hören sind, abgelenkt hätte. Auch an diesem Vormittag saßen die geschätzt 120 Zuhörer die ganze Zeit gewissermaßen auf der Stuhlkante. Insgesamt muss man den sechs Solisten des BR-Symphonieorchesters, denen man ihre empathische Identifikation mit dieser so ganz andersartigen Musik deutlich anmerken konnte, eine absolut hochklassige Leistung bescheinigen. Lange anhaltender Applaus für ein Kammermusikwerk, das tief ergriffen machte.

[Martin Blaumeiser, März 2018]

„Es ist schön, dass man nie aufhört, etwas neues zu erlernen!“

Zala Kravos kann das Wort Wunderkind nicht wirklich verstehen. Eigentlich sei doch jedes Kind ein Wunder, das über riesige Anlagen verfügt. Und sie selbst ist dankbar, dass sie Menschen hat, die ihre eigenen Gaben auf denkbar beste Weise entdeckt und gefördert haben. So sehr, dass die gebürtige Slowenin bereits im zarten Alter von 15 Jahren ein gewichtiges CD-Debut vorliegt. Nicht nur mit Brahms, Liszt und Chopin, sondern auch mit Neuer Musik.

Das Interview führte Stefan Pieper

Ich bin sehr überrascht, mit welcher Reife Sie diese vielschichtigen, anspruchsvollen Werke musizieren! Ich bin neugierig auf die Vorgeschichte dazu!  

Das alles ist natürlich eine große Herausforderung für mich. Aber das einzige Stück, das ich jetzt neu erarbeitet habe, ist die Ballade von Franz Liszt. Die anderen Stücke begleiten mich schon viele Jahre lang. Mit der Brahms-Ballade habe ich im Alter von 11 Jahren begonnen,
Chopin habe ich sogar schon mit 10 gestartet, ich habe sie also schon im ganz jungen Alter gespielt. Die Ballade Nr. 2 von Franz Listz ist noch sehr neu. Ich denken, man kann einen Unterschied hören.

Ich muss zugeben, dass dieser Unterschied nicht sofort ins Ohr springt. Warum haben Sie gerade diese Werke ausgewählt? Balladen wollen ja immer eine Geschichte erzählen.

Diese Werkauswahl kommt meinem künstlerischen Anliegen sehr nah. Als Musiker sollte man eine Geschichte zu erzählen haben, das ist doch das wichtigste. Es geht darum, etwas zu sagen zu haben, dass jemand versteht. Ich bin glücklich,wenn das Publikum hört, dass ich etwas zu sagen habe.

Die Balladen von Brahms und Liszt sind ja von literarischen, also außermusikalischen Quellen  beeinflusst. Haben Sie die Texte, die allem zugrunde liegen, gelesen?

Das habe ich mit großer Begeisterung getan. Vor allem Gottfried Herders Ballade „Edvard“ hat mich sehr fasziniert. Ich versuche in meinem Spiel, die Musik und die Aussage der Texte zu verbinden.  Liszt war sehr stark von Dante inspiriert. Solche Hintergründe sind sehr wichtig für mich. Ich versetze mich gerne in die Psychologie des Komponisten hinein.

Ich gehe mal davon aus, dass Ihnen das Lesen viel bedeutet.  Haben Sie genug Zeit dafür neben dem Üben?

Es ist gut, dass ich mir meine Zeit selber einteilen kann. Ich kann für mich entscheiden, wann der beste Zeitpunkt zum Üben ist und kann tun, was ich will. Ich versuche bewusst, die Zeit-Killer zu vermeiden und achte drauf, nicht zu viel Zeit am Telefon oder vor Bildschirmgeräten zu vergeuden. Dadurch habe ich Zeit zum Lesen, was ich auch regelmäßig in verschiedenen Sprachen tue, auf französisch, slowenisch, englisch.

Sprachen sind also eine weitere Leidenschaft von Ihnen?

Ja, Sprachen sind für mich wie Musik. Wenn man zweisprachig aufgewachsen ist, kommt so was ganz von selbst. Mein Vater ist Slowene, meine Mutter Chinesin . Die Sprachen, die sie sprechen, können nicht unterschiedlicher sein. Ich möchte am liebsten alle Sprachen lernen.

Wie sieht es eigentlich mit der Schule aus?

Ich besuche keine allgemeine Schule mehr. Ich lerne über ein französisches Home-Schooling -Programm, wo ich online lernen und auch die Prüfungen absolvieren kann.

Sind Ihre Eltern auch Musiker? Diese Vermutung liegt ja nahe bei dieser extrem frühen Begeisterung, diesem Engagement und dieser hervorragenden Förderung?

Ich habe völlig ohne Druck und mit großer spielerischer Leichtigkeit in die Musik hinein gefunden. Meine Eltern sind keine Musiker. Meine Mutter kommt aus der Naturwissenschaft, aber mein Vater war früher ein begeisterter Liebhaber-Musiker, der vor allem Gitarre spielte. Er verbreitete dabei eine Begeisterung, die auf mich über gegangen ist. Aber er hat mir nie von sich aus gesagt, ich soll ein Instrument spielen. Ich muss ein oder zwei Jahre alt gewesen sein, als ich zum ersten Mal ein Konzert erlebte. Ich war fünf, als mein Vater mich fragte, ob ich ein Instrument spielen möchte. Ich habe dann das Klavier gewählt. Alles war so einfach. Allerdings konnte ich mich ganz zu Anfang nicht zwischen Klavier und Harfe entscheiden.

Was ist für Sie der wichtigste Aspekt beim Musikmachen?

Klavierspielen sehe ich nicht absolut. Es ist vielmehr ein Teil eines großen Ganzen. Ich möchte immer auch die Geschichte und den Hintergrund von den Dingen, die ich tue, erfahren. Vor allem ist es mir wichtig, möglichst viel mit Menschen zu kommunizieren. Das Leben bietet doch so eine große Vielfalt. Es ist schön, dass man nie aufhört, neues zu erfahren und zu lernen. Das macht das Leben doch erst interessant. Und es ist wichtig, ein Leben für sich zu haben und nicht nur immer zu arbeiten und zu üben. Nur dadurch kann man sich einen offenen Geist erhalten.

Wie gehen Sie mit den ständigen Titulierungen als „Wunderkind“ um?

Ich bin doch nicht wirklich etwas besonderes. Ich treffe mich gerne mit Freunden und führe ein ganz normales soziales Leben. Wer nur übt und nichts anderes tut, engt sich ein und kann sich nicht weiter entwickeln. Gerade als Musikerin ist es ungemein wichtig, kommunikativ aufgeschlossen zu sein. Ich denke, jeder Mensch ist ein Wunder für sich!

Sie stellen dem balladesken romantischen Bogen von Brahms, Liszt und Chopin das Stück „Crystal Dream“ von Albena Petrovich-Vratchanska gegenüber. Was bedeutet Ihnen diese Komponistin? Ich rate mal, dass Sie sich auch schon persönlich begegnet sind in Luxemburg?

Albena ist eine sehr wichtige Person für mich. Sie zeigte mir so viel Neues auf, was zeitgenössische Musik ist und sie half mir, meine Karriere zu entwickeln. Sie ist eine gute Freundin, die mir so viel gab. Ich bin ihr sehr dankbar.

Also ist Crystal Dream exklusiv für Sie geschrieben worden?

Wir kennen uns nun schon seit zehn Jahren, also seit meiner frühen Kindheit. Sie hat mich so oft spielen gehört und sie erkannte meine Leidenschaft für Musik, was sie wiederum sehr für ihr eigenes Komponieren inspirierte. Deswegen hat Albena das Stück Crystal Dream auch exklusiv für mich geschrieben. Sie wollte mir damit etwas aufzeigen. Nämlich, dass Musik eben viel mehr ist als nur der eng definierte Begriff in der klassischen oder romantischen Musik. Sie wollte mir neue Wege auf den eigenen Weg mitgeben. Überhaupt gibt es in der zeitgenössischen Musik so unendlich viel zu entdecken – sowohl für den Hörer, als auch für den Spieler! Aber viele Menschen haben erst mal Angst der Musiker der Gegenwart und denken, dass man hochspezialisiert sein muss, um sie zu verstehen. Als Musikerin bin ich bei einem modernen Stück wie Crystal Dream herausgefordert, Musikmachen wieder ganz neu zu lernen. Dieses Stücke soll die Kreativität herausfordern. Die Partitur forderte mich dazu auf, meine eigene Halskette auf die Klaviersaiten zu legen, was einen ganz besonderen Klangeffekt produziert.  Ich habe so etwas noch nie vorher gemacht. Das war schon eine Art Schlüsselerlebnis für mich, um mich der Neuen Musik zu öffnen. Von da an habe ich mir viele weitere zeitgenössische Stücke erschlossen.

Ich denke, gerade junge Menschen können sie spielen und auch besonders gut hören, weil es hier noch nicht so viele eingefahrene Hörgewohnheiten gibt.

So sehe ich das auch. In diesem Alter ist noch eine große Offenheit da. Der Zugang ist viel leichter als später. Deswegen ist es mir auch sehr wichtig, in möglichst jedem Programm ein Stück aus der Gegenwart zu interpretieren. Ich möchte einfach mithelfen, jene Hemmschwelle abzubauen, die nach wie vor der zeitgenössischen Musik anhaftet.

Wie sind Sie nach Luxemburg gekommen und was gefällt Ihnen hier?

Luxemburg ist ein so kleines Land, da kennt jeder jeden. Die Konzentration von Musikern ist sehr hoch und wir helfen uns untereinander. Hinzu kommt die hervorragende öffentliche Förderung, die junge Musiker hier genießen. Ich glaube, das ist in kaum einem anderen Land so.

Haben Sie auch bei Jean Muller studiert?

Ich studiere bei Jean Muller in Luxemburg, und Jean Muller ist auch als Mensch sehr wichtig für mich mich. Es war seine Idee, jetzt mein erstes CD-Album aufzunehmen. Er hat mich außerdem eingeladen, ein Solokonzert mit dem Luxemburger Philharomischen Orchester zu spielen. Auch das war eine großartige Erfahrung.

Was reizt Sie an Ihrem Musikerberuf, in dem Sie ja schon längst angekommen sind?

Was ich ganz besonders liebe, ist das Reisen. Ich bin schon so viel gereist und kann nicht genug davon bekommen. Ich habe in 14 verschiedenen Ländern Konzerte gegeben. Profimusiker müssen ständig reisen. Es gibt manche Musiker, die das nicht mögen, was ich gar nicht verstehen kann. Zu dieser Sorte gehöre ich um Glück nicht!

Was für einen Bezug haben Sie zu Ihrer slowenischen Heimat?

Ich reise sehr oft dahin, weil viele unserer Familienmitglieder dort leben. Ich gebe dort auch manchmal Konzerte. Ich liebe dieses Land – vor allem die warme Freundlichkeit der Menschen dort.

Es gibt ja diesen etwas mystischen Brauch, dass jede Slowenin und jeder Slowene einmal im Leben den Triglav, Sloweniens höchsten Berg bestiegen haben muss.

Das stimmt. Der Brauch sagt sogar, dass kein echter Slowene ist, wer nicht auf dem Triglav war.

Haben Sie das schon absolviert?

Nein, bislang habe ich es noch nicht getan, aber ich möchte es auf jeden Fall gerne. Man sollte sehr gut durchtrainiert sein. Vielleicht werde ich es mit meiner Familie in den kommenden Sommerferien tun.

Gibt es auch musikalische Berge, die Sie als nächstes besteigen wollen?

Ja, durchaus! Ich möchte mir gerne das weite Feld der Kammermusik erschließen, was noch weitgehend Neuland für mich ist. Ich habe bereits im letzten Jahr einige Kammermusik gespielt und werde bald damit auf Tour gehen – und zwar in Luxemburg, Spanien und Deutschland. Organisiert wird die Tour von der EMCY (European Union of Music Competitions for Youth), ich werde hier mit vielen anderen Musikern aus verschiedenen Ländern zusammen spielen.

[Stefan Pieper, März 2018]

Kuba auf dem Klavier

Grand Pianio, GP 758; EAN: 7 47313 97582 2

Die kubanische Pianistin Yamilé Cruz Montero stellte am Abend des 11. März 2018 im Kleinen Konzertsaal des Gasteig in München ihre CD „Piano Cubano“ mit Werken von drei Landsmännern vor. Vom kubanischen Nationalkomponisten Ernesto Lecuona hörten wir drei Afrokubanische Tänze und die Suite Andalucia, nach der Pause folgten Werke von Cruz Montero Carlos Fariñas und Andrés Alén. Von ersterem erklangen Sones Sencillos und Alta Gracia, von letzterem Variationen auf Silvio Rodríguez‘ Thema und Emiliano.

Mit kubanischer Musik werden meist Tanz und groovende Rhythmen assoziiert. Wie viel mehr jedoch darin steckt, zeigte an diesem Abend die Pianistin Yamilé Cruz Montero. Die melodische Komponente ist in allen dargebotenen Stücken maßgeblich, wobei sie meist vom Gesang abgeleitet und entsprechend schlicht und eingängig ist. In Kuba gibt es keine so starke Trennung zwischen so genannter ernster und unterhaltender Musik, wie es hierzulande üblich ist, und so haben die Komponisten keine Angst davor, auch scheinbaren Trivialitäten Einzug in ihre Musik zu gewähren und sie stilvoll auszuarbeiten. Harmonisch schlagen vor allem Fariñas und Alén eigentümliche Wege ein, kombinieren lateinamerikanisches Idiom mit Akkordgebilden europäischer Moderne. Ergebnis ist eine Symbiose, die niemals Langeweile aufkommen lässt. Vorbilder aus Europa sind gerade in den längeren Werken aufzuspüren, die sich nicht aus kubanischen Tanzstilen ableiten: Mit Lecuonas Suite Andalucia verlässt Cruz Montero Kuba für kurze Zeit und führt uns nach Spanien, wo uns quirlige, gitarrenartige Rhythmen sowie echt spanisches Lebensgefühl erwarten. Und aus Aléns Variationen schimmern auf recht scholastische Weise deutsche Vorbilder hervor, gemahnen unüberhörbar an Brahms und Beethoven.

Die Verbreitung dieser Musik auf europäischem Boden ist ein Herzensanliegen der jungen Pianistin, dementsprechend legt sie ihr Innerstes in die heute erklingenden Töne hinein. Mit beeindruckender geistiger Klarheit versteht sie die Botschaften in den Werken und vermittelt sie ihren Hörern. Yamilé Cruz Montero besticht mit Aufrichtigkeit. Jede Emotion, jeden Ton und jede Phrase glaubt man der Kubanerin. Sie offenbart Bewusstsein über die gesamte Stilfülle der kubanischen Musik, von folkloristischen Tänzen über jazzgefärbte Klänge und europäische Echos bis hin zur charakteristischen Eigenständigkeit der Komponisten.

[Oliver Fraenzke, März 2018]

Farben und Düfte

Ondine, ODE 1304-2D; EAN: 0 761195 130421

Auf zwei CDs spielt Paavali Jumppanen alle 24 Préludes von Claude Debussy sowie den Zyklus ‚Children’s Corner’. Die Aufnahme erschien bei Ondine.

Die 24 Préludes von Claude Debussy gehören zu den absoluten Meisterwerken jener Stilepoche, die gegen den Willen ihrer Hauptdarsteller Debussy und Ravel als Impressionismus bezeichnet wird. Sie präsentieren den ausgereiften Personalstil des Franzosen in all seiner Perfektion, jeder Klang ist ausgewogen, jede Verzierung am rechten Ort. Zugleich bleibt Debussy Neuerer, überschreitet fortwährend Konventionen und widerspricht Hörerwartungen, ohne dies allerdings dem Hörer auf die Nase zu binden wie es die sogenannten Expressionisten beinahe zeitgleich taten. Er verlangt dem Pianisten in jedem seiner Stücke Neues ab, alles Gelernte muss neu überdacht und erweitert werden, das Altbekannte bleibt nur darum im Hinterkopf, um die Modernismen als solche zu verstehen und umzusetzen. Zur adäquaten Bewältigung all dessen braucht der Pianist einen höchst verfeinerten Anschlag mit einer zuvor nie dagewesenen Nuancierung des Piano- und Pianissimobereichs. Dann kann ein beinahe multimediales Gesamtkunstwerk aus imaginären Bildern, Farben und Düften, Poesie und Wortkunst, entstehen, wobei die Namen der Stücke ausdrücklich nicht als Programm, sondern als literarische Charakterisierung des jeweiligen Stücks im Nachhinein fungieren.

Children’s Corner entstand zwei Jahre vor den Préludes und ist der knapp dreijährigen Tochter Emma-Claude, Chouchou genannt, gewidmet. Die Stücke sind nicht für Kinderhände, sondern (wenngleich keineswegs nur!) für Kinderohren geschrieben, erwecken die Spielecke zum Leben und berühren auf schlichte und doch pianistisch anspruchsvolle Weise. Von rauschenden Inspirationen wie dem an Griegs Holberg-Suite erinnernden Doctor Gradus ad Parnassum und dem Tanzenden Schnee reichen die Miniaturen über sanfte Kinderlieder bis zu dem jazzig-swingenden Golliwogg’s Cake Walk (ein seinerzeit dem Ragtime angehöriger Tanz, der eben auch in den Préludes Anwendung fand). Eine zentrale Inspiration für Children’s Corner dürfte Mussorgskys Liederzyklus „Детская“, Kinderstube, gewesen sein, über den Debussy 1901 enthusiastische Lobeshymnen schrieb und dabei die Schlichtheit der Mittel und die verfeinerte Empfindung hervorhob.

Paavali Jumppanen, der sich durch seine Einspielungen vor allem von Beethoven und Boulez bereits als vielseitig befähigter Musiker erwies, tritt nun in die Welt Debussys ein. Sein Gespür für diese Musik ist hinreißend, jedem Prélude verleiht der Finne Individualität und Eigenständigkeit, vereint dabei die Pole von Bodenständigkeit und bodenlos-schwebendem Eindruck. Zart und einfühlsam gestaltet er jede dynamische Nuance und erteilt jeglicher Härte und Starrheit eine klare Absage. So lässt er wahrlich Farben und Düfte entstehen. Children’s Corner bleibt genauso schlicht wie farbenprächtig, so, wie Debussy das Werk auch konzipierte. Es handelt sich um eine rundherum gelungene Einspielung dieser gut einhundert Minuten Musik, wo weder etwas besonders hervorzuheben noch etwas zu tadeln wäre, da schlichtweg alles auf ein und dem selben hohen Niveau erklingt.

[Oliver Fraenzke, Februar 2018]

„Ich will die Ohren öffnen!“

„Passio“ heißt die neue CD der Zurich Chamber Singers – die musikalische Botschaft sowie der Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Tonträgers sollen genau diesem Titel entsprechen. Christian Erny und seine fabelhaften Sängerinnen und Sänger erwecken hier eine tief spirituelle Musik zum Leben. Da tritt sogar in den Hintergrund, dass Johann Sebastian Bach, Henry Purcell und Thomas Talis einerseits sowie der gerade einmal 27 Jahre junge Kevin Hartnett aus gänzlich verschiedenen Jahrhunderten kommen.

Das Interview führte Stefan Pieper

Diese Musik berührt so tief, dass man sich kostbare Momente für das Hören aussucht. Verstehen Sie, was ich damit meine?

Das freut mich sehr. Dann ist unsere Botschaft ja wirklich angekommen. Unser zentrales Anliegen ist, Intensität geltend zu machen.

Erzählen Sie etwas über die Vorgeschichte zu diesem Projekt.

Ich habe dieses Ensemble im Jahr 2015 ins Leben gerufen und die ersten Debutkonzerte sind jetzt 2 Jahre her. Begonnen haben wir mit neun befreundeten Sängerinnen und Sängern von der Hochschule. Alles hat sich sehr schnell weiter entwickelt. Mittlerweile sind wir 18, manchmal arbeiten wir sogar zu 20. Genauso stelle ich mir meine Vokalarbeit vor! Wir wollen uns allen Epochen widmen und die traditionelle Musik mit zeitgenössischer Musik verbinden. Deswegen sind Auftragskompositionen ein wichtiger Bestandteil. Wir sprechen junge Komponisten an und überlegen uns, in welchem thematischen Rahmen das Projekt stattfindet. Für das aktuelle Projekt bin ich mit meinem Team die Texte durchgegangen, dabei stießen wir auf die Bußpsalmen, die wir an Kevin weiter gegeben haben.

Woher kennen Sie Kevin Hartnett?

Er war ein Studienkollege in den USA, wo ich mein Konzertexamen gemacht habe.

Kevins Stück wirkt ja gar nicht so neutönerisch, sondern fügt sich extrem geschmeidig in die Gesamtdramaturgie dieser CD ein.

Das hat sicher damit zu tun, wie es gemacht ist. Es erinnert von der Satzart stark an die Polyphonie der Renaissance. Überhaupt hat Kevin Hartnett einen sehr guten Riecher, wie ein Vokalwerk zur Passion zu gestalten ist, damit die Botschaft wirklich überkommt. Meine einzige Vorgabe war, dass es vierstimmig sein soll, um Klarheit herein zu bekommen. Ich finde es schon erstaunlich, dass Kevin allein mit vier Stimmen so viel Klanglichkeit und Bewegung herein gebracht hat.Es entsteht ein regelrechtes Flimmern dadurch, dass die Stimmen individuell in Bewegung sind und viele kleine Intervalle vorherrschen.

Wie gestalten sich die Arbeitsphasen mit dem Chor?

Wir haben zwei bis drei Projekte pro Saison und beginnen immer zwölf Tage vor einem Konzert. Zu diesem Zeitpunkt haben die Sänger schon ihre Parts vorbereitet und eine intensive Probenphase kann beginnen.

Aus welchem Kontext kommen die Musiker?

Ich habe eine gesunde Mischung von Leuten darin. Da sind einerseits die Profis, die ich von der Hochschule kenne und sonst als professionelle Sänger unterwegs sind. Außerdem gibt es Menschen aus meiner eigenen Chorzeit, die hervorragende Chorsänger sind, die aber nicht als Solisten tätig sind.

Ist dies das Geheimnis dafür, dass dieser Chor nicht wie eine amorphe Masse wirkt, sondern vielmehr ganz viele individuelle Stimmen heraus klingen? Beschreiben Sie doch mal etwas genauer Ihre Philosophie!

Ganz bewusst wähle ich möglichst schlanke Besetzungen mit so wenig Leuten wie möglich pro Register. Dadurch maximiere ich die Klarheit im Kontrapunkt. Ich mag es nicht, wenn die Sänger zu Chorsängern degradiert werden. Denn da leidet meiner Meinung nach der individuelle Ausdruck drunter. Dafür ist die Musik, zum Beispiel Henry Purcells „Funeral Music“ viel zu expressiv! Ich will nicht, dass man auf Sparflamme singt, sondern gut gestützt und mit tiefem Ausdruck. Ich verlange als Dirigent von jedem, die Musik mitzugestalten. Ich nehme jede Sängerin und jeden Sänger als Musiker ernst, der gewillt ist, eine musikalische Botschaft zu transportieren. Wenn das nicht zustande kommt, wäre die Musik doch nutzlos.

Was hat Sie selber zum Chorgesang getrieben?

Damit bin ich groß geworden. Mit 13 oder 14 hat mich mein Musiklehrer in den Chor geholt. Da habe ich 13 Jahre mitgesungen. Eigentlich bin ich selber im Chor als Sänger aufgewachsen. Ich hatte einen tollen Chorleiter, der mich angestiftet hat. Mit dem arbeite ich heute noch zusammen. Er hat mir die ganze Ästhetik des Chorgesangs vermittelt. Ich habe dann angefangen, Klavier zu studieren. Auch während meines Klavierstudiums blieb die Begeisterung für Chorgesang. Ich habe neben dem Studium Kirchenchöre geleitet, damit erste Erfahrungen gemacht und später dann noch Dirigieren an der Hochschule belegt. Als ich schließlich die Zurich Chamber Singers gegründet habe, ist ein lange gehegter Wunsch von mir in Erfüllung gegangen.

Wie berühren sich die beiden Bereiche Chorarbeit und Pianistenlaufbahn in Ihrem künstlerischen Alltag?

Es wäre schade, wenn ich mich in meinem Leben mehr für das eine oder für das andere entscheiden müsste. Ich bin daher froh, dass ich phasenweise mehr Projekte als Pianist und dann wieder als Chorleiter habe. Zumal sich beide Bereiche hervorragend miteinander ergänzen. Als Pianist wächst Du damit auf, polyphon zu denken. Du lernst von klein auf, mehrstimmig zu lesen, was Dich auch für die Arbeit mit Chor prädestiniert. Gleichzeitig beeinflusst das Dirigieren mein Klavierspiel sehr positiv. Als Chordirigent ist ein extrem geschultes Gehör einfach Pflicht. Hier wie dort, geht es um dieselbe Frage: Wie balanciere ich bestimmte Stimmen aus, dass ganz bestimmte Farben heraus kommen? Vor allem bei zeitgenössischen Stücken mit Chor macht es sich ganz besonders bemerkbar – das tritt auch in Kevin Hartnetts Stück ganz besonders hervor: Wenn man hier nur einen Ton verändert, kommt plötzlich eine ganz andere Farbe heraus und der Klang schwingt komplett anders. Das versuche ich, den Leuten ins Gehör zu bringen. Ich muss ihnen klar machen, wie sich etwas auf den Gesamtklang auswirkt. Ich will die Ohren öffnen, dass es wirklich jeder hört, was mit den Farben passiert!

Nochmal ein paar Details über die anderen Stücke. Nach welchen Kriterien haben Sie die Auswahl für diese CD getroffen?

Die Passion war der ursprüngliche Gedanke. Das Projekt hat im letzten Frühling zur Passionszeit begonnen. Da war der Plan, dass die CD ein Jahr später veröffentlicht wird. Wir haben Brainstorming gemacht und viel Literatur durchkämmt. Ein Fazit kristallisierte sich heraus: Die Passionszeit ist ja nicht nur eine Zeit des Leidens. Man kann sie genauso vorwegnehmend deuten, nämlich im Hinblick auf Ostern symbolisiert. Am Anfang wirkt Thomas Tallis Motette wie ein Hilferuf über die eigene Vergänglichkeit. Die zweite Tallis-Motette am Schluss der CD löst diese Spannung auf. Die „Funeral Sentences“ von Purcell enthalten beides: Eine Traurigkeit über die eigene Vergänglichkeit, aber dann einen Hoffnungsschimmer. In Bachs Kantate „Jesu, meine Freude“ ist es dasselbe. Du darfst auch vorausschauen und Hoffnung in der Sache sehen. Das moderne Stück von Kevin Hartnett birgt eine kleine Überraschung: Am Schluss des Stückes kommt ein Halleluja vor. Die strenge Lithurgie verbietet dies während der Fastenzeit. Durch diese verstecke Anspielung, will ich die streng liturgische Verbindlichkeit aufbrechen. Denn mein Anliegen ist die festlich-meditative philosphische Art, über dieses Thema nachzudenken.

Also geht es Ihnen um die Dialektik aus Verzweiflung und Zuversicht?

Mir ist wichtig bei dieser Art von Musik, dass sie nicht als reine Gottesdienstmusik gesehen wird. Sie ist von Menschen gemacht und für Menschen, die sich tiefe philosophische Gedanken über Materie, Mensch und Gesellschaft machen. Ich möchte das unbedingt von diesem Ansatz her betrachtet wissen.

Wie verhält es sich mit der emotionalen Ebene?

Gerade bei Bach sind Emotionen wahnsinnig wichtig. Früher gab es eine starke Tendenz, in Bach eine trockene, akademische Art herauszuarbeiten. Der Ansatz greift meiner Meinung aber zu kurz. Im Kern von Bachs Musik stehen die stärksten Emotionen, die man empfinden kann und die hier in Musik vereint sind.

Haben Sie ein bestimmtes Rezept, dies aus den Sängern heraus zu kitzeln?

Bei Bach, aber eigentlich bei jeder guten Musik ist nie etwas rein zufällig komponiert. Meine Aufgabe als Musiker, vor allem aber als Dirigent ist es, die Noten so zu lesen, dass ich verstehe, was hier passiert. Ich will dem Chor ins Gehör bringen, wo die besonderen Momente sind. Wenn beispielsweise ein Sopran einen grossen Sprung nach oben singt oder eine Stimmkreuzung geschieht, muss dies an einem Moment passieren,wo emotional etwas vorhanden ist. Ich versuche die Noten so zu lesen, dass ich wirklich eine Vorstellung von der Architektur habe und wozu es gemacht ist. Es gibt verschiedene Methoden, dies zu kommunizieren, die naheliegendste ist der Text. Doch hat jeder seine eigene Art, mit dem Text umzugehen. Meine Aufgabe ist es, die Architektur der Musik den Sängerinnen und Sängern so zu kommunizieren, dass sie mit den Emotionen im Text kongruent wird.

Wenn Sie das ganze aufnehmen, lassen Sie in langen Durchläufen singen oder geht es manchmal auch kleinteilig zu Werke?

Takt für Takt zu arbeiten, ist für die Sänger wahnsinnig anstrengend. Ich versuche, so gut es geht, weite Strecken singen zu lassen. Dass man wirklich sagt, wir machen jetzt nur diesen Takt, ist die letzte Entscheidung. Es ist meist viel gewinnbringender, wenn die Leute in einen längeren musikalischen Bogen kommen. Wenn man allzu viel Flickwerk betreibt, passiert es oft, dass es trotz aller Perfektion zu leblos wird – dann hat man auch nicht gewonnen.

Gibt es für Sie ein Schlüsselerlebnis, welches Sie zur Chormusik gebracht hat?

Ich kann mich noch genau dran erinnern, wie ich zum ersten Mal in einem Chor mitgemacht habe. Vorher hatte ich noch nichts vom Chor gewusst. Dann hat mich mein Musiklehrer dafür begeistert. Es war auf Anhieb eine großartige Erfahrung, in dieser Masse zu stehen und diese Stimme zu singen und zu merken, wie sich alles miteinander integriert. Ein Teil von etwas größerem zu sein, das war schon sehr eindrücklich! Es kamen dann viele spannende Projekte: Mit 16 durfte ich das Verdi-Requiem singen, dann ging es mit 17 auf Konzertreisen nach Osteuropa. Hier sind viele starke Eindrücke hängen geblieben. Aber zugleich habe ich immer Klavier gespielt. Aber auch noch viele andere Dinge gemacht. Ich war auch recht lange als Gitarrist in Rockbands aktiv.

Was gibt Ihnen dieser offene Blick über die Tellerränder?

Ein erfülltes Musikerdasien braucht verschiedene Wirkungsgebiete. Ich mag Genreabgrenzungen überhaupt nicht. Ich habe zum Beispiel zwei sehr gute Freunde, mit denen ich mich sehr gut über Musik unterhalte – und die sind beide Popmusiker! Man merkt, dass die Produkte vielleicht unterschiedlich sind, aber schlussendlich ist die Botschaft man Ende doch ziemlich gleich, sie kommt nur in verschiedenen Kanälen zum Ausdruck!

Wo haben Sie die Bookletfotos gemacht? Das könnte auch ein Industriedenkmal im Ruhrgebiet sein!

Die Fotos entstanden in einem stillgelegtem Fabrikareal in Winterthur. Ich mag eine solche Ästhetik in Kombination mit diesem Repertoire. Das gibt dem Ganzen einen anderen Anstrich. Chormusik hat teilweise immer noch den Anstrich, dass sie verstaubt und uncool ist. Aber da bin ich ganz anderer Meinung. Und dafür muss man heute mit zeitgemäßem Artwork Farbe bekennen. Zum Glück sind heute viele junge Künstler unterwegs, die so etwas super machen und hier für neue Zugänglichkeit sorgen.

Haben Sie schon mal etwas in einer solchen Location aufgeführt?

Nein, leider noch nicht. Aber wir denken schon lange darüber nach, vielleicht mal, um in dieser Fabrikhalle eine Johannespassion aufzuführen. Das wäre fantastisch. Aber es ist eine Frage des Geldes. Es gibt schon viele alte Industriebauten, die kulturell genutzt werden, aber insgesamt hinkt die klassische Musik da noch etwas hinterher.

Lebenswerke, Lebenslinien

Rubicon RCD1007; EAN: 5 065002 149060

Lea und Esther Birringer spielen auf ihrer CD „Lifelines“ Werke aus unterschiedlichsten Lebensabschnitten dreier Komponisten der Romantik: Die frühe Violinsonate F-Dur op. 8 von Edvard Grieg, die zwei späten Elegien Franz Liszts und die groß angelegte Violinsonate von César Franck.

Edvard Grieg stand eine vielversprechende Karriere bevor, als er seine Violinsonate F-Dur op. 8 beinahe zeitgleich mit der Klaviersonate e-Moll op. 7 schrieb. Er hatte seine Studien in Leipzig abgeschlossen, lernte bei dem zur damaligen Zeit hochgeschätzten Dänen Niels W. Gade, von welchem er eifrigen Zuspruch für seine Werke erhielt, und wurde von seinem großen Idol, dem Violinisten und Nationalromantiker Ole Bull, gefördert, der in ihm die Idee weckte, in einem „echten nordischen Stil“ zu komponieren, was bereits in den beiden frühen Sonaten und noch stärker im nachfolgenden Op. 13 zum Vorschein kommt.

Antipoden zu diesem Werk sind die beiden späten Elegien von Franz Liszt, nüchterne und abgeklärte Werke, die nichts von seiner früheren Virtuosität erahnen lassen. Besonders die erste Elegie thematisiert den Tod, ihr Titel lautet „Schlummerlied im Grabe“. Die Zärtlichkeit eines Wiegenliedes vereint sich mit trister Isolation und Todnähe. Es handelt sich um einen tönenden Nachruf der Comtesse Marie von Moukhanoff-Kalergis, während die zweite Elegie vermutlich durch einen Artikel seiner späteren Biografin Lina Ramann über die erste Elegie veranlasst und ihr gewidmet wurde.

Auch die Violinsonate von César Franck ist ein Spätwerk, wurde allerdings – was den Kreis schließt – dem jungen Geiger Eugène Ysaÿe anlässlich seiner Hochzeit auf den Leib geschrieben. Der Virtuose behielt das Werk für über vierzig Jahre durchgehend in seinem Repertoire und verbreitete den Ruf César Francks auf internationaler Ebene, was bis heute nachwirkt. Noch immer zählt Francks Violinsonate zu den an häufigsten gespielten Sonaten des späten 19. Jahrhunderts, ist vor allem aufgrund ihres horrend schwierigen Klavierparts berüchtigt – in der Ausführung leider viel zu oft auf Kosten der musikalischen Struktur, deren Anforderungen die rein mechanisch-technischen noch einmal wesentlich übersteigt.

Zu diesen ausschließlich auf die makellosen Töne fixierten Musikern gehören die Schwestern Lea und Esther Birringer glücklicherweise nicht, sie suchen einen persönlichen und menschlichen Zugang zu diesen drei Komponisten. Am glücklichsten ist dabei die Begegnung mit der jugendlich glühenden Sonate Griegs, deren Lebenslust und -freude vom ersten Ton an deutlich wird. Wie die ersten Sonnenstrahlen des Tages funkelt die Eröffnung, der gemächliche Aufbau geschieht vollkommen natürlich und ungezwungen. Magisch wirkt auch der Mittelsatz, ein durch und durch norwegisches Cantabile, nicht unähnlich dem Wächterlied aus den Lyrischen Stücken op. 12. Liszt klingt reif und distanziert, doch nicht weniger ausdrucksstark und auch bedrückend. Aus Francks Sonate schließlich holen die Birringer-Schwestern viel heraus, wenngleich die Dynamik gerade im Piano- und Pianissimobereich noch differenzierter und feinfühliger verwirklicht sein dürfte, um die introvertierten Aspekte deutlicher zum Vorschein zu bringen. Die kurzen thematischen Phrasen sind sehr detailgetreu darzustellen, jedes Mal erscheinen diese in neuem Licht, was nur durch minutiös durchdachte Dynamik realisierbar wird.

[Oliver Fraenzke, Februar 2018]

Am Ende steht die Zuversicht

Ars Produktion Schumacher, ARS 38 551; EAN: 4 260052 385517

Christian Erny ist nicht nur ein fabelhafter Pianist, sondern ebenso ein Chordirigent aus Passion.  Ob am Flügel oder mit seinem im Jahr 2015 gegründeten Ensemble „The Zurich Chamber Singers“ – es geht dem Schweizer darum, die Klangfarben mit maximalem Feinsinn zu mischen. Das jüngste Resultat ist die CD „Passio“ ,welche er für das Ars-Label aufgenommen hat. Werke von Johann Sebastian Bach, Henry Purcell und des Renaissance-Komponisten Thomas Tallis treffen auf eine neue Auftragskomposition von Kevin Hartnett aus dem Jahr 2016.

Egal, ob man die höhere Sache, um die es hier geht, gläubig-spirituell oder philosophisch auffasst: Den Kern dieses musikalischen Projektes bilden Worte zur Passion und Auferstehung Jesu Christi, einer Grundlage unserer abendländischen Kultur. Sie sind der Ausgangspunkt der Renaissance-Motetten von Thomas Tallis und bilden ebenso einen erzählerischen roten Faden in den „Funeral Sentences“ von Henry Purcell. Auch Johann Sebastian Bachs Motette „Jesu meine Freude“ reflektiert über das gleichnamige Kirchenlied sowie Bibelworte aus dem Römerbrief. Und auch der blutjunge Kevin Hartnett nahm sich biblischer Inhalte an, wenn er Worte aus den sieben Bußpsalmen in einen assoziativen Fluss bringt.

Allein einen jungen amerikanischen Komponisten mit einem solchen Unterfangen zu beauftragen zeugt von Christian Ernys Streben nach Relevanz im Heute. Das wird übrigens auch durch die fotografische Abbildung der Sängerinnen und Sänger in einer alten Fabrikhalle fortgesetzt. Noch mehr zeugt die künstlerischen Umsetzung selbst diesem Willen nach Relevanz: Die „Zurich Chamber Singers“ muten wohl kaum wie ein monolithischer „Chor“ im altmodischen Sinne an. Denn dafür sind alle Beteiligten doch viel zu ausgeprägte musikalische und stimmliche Charaktere. Damit sich dies am besten entfaltet, ist in Ernys Chor eine 12köpfige Besetzung das absolute Maximum.

Christian Erny fordert von jedem Einzelnen, sein individuell Bestes zu geben. Dieses Postulat verleiht dem Gesang so viel individuelle Färbung, was aber nie zu Lasten der Ausbalancierung geht. Also wirkt die strenge Renaissance-Polyphonie in Tallis Salvator Mundi wie eine lichtdurchflutetes Klanggebäude, in dem Luft zum Atmen und Bewegungsfreiheit vorherrscht – und eben nicht wie ein düsteres Gemäuer. Wie innig und berührend diese Sängerinnen und Sänger agieren können, zeigt sich weiterhin in den choralartigen Linien von Henry Purcells „Funeral Sentences“.

Kevin Hartnetts „De profundis“ aus dem Jahr 2016 wirkt überhaupt nicht wie ein neutönerischer Fremdkörper, der etwa den dramaturgische Bogen sprengen würde. Im Gegenteil: Das zehnminütige Chorstück ist eine perfektes Bindeglied, um aus dem Gesamtkontext aller Stücke etwas unbedingt zeitloses zu schöpfen. Tiefempfunden und hochkonzentriert schwören sich die Sängerinnen und Sänger auf repetitive Muster ein, lassen Phrasen organisch atmen und bauen Erregungskurven voll subtiler Hochspannung auf. Ernys verfeinerte Kunst der Klangfarben-Mischung kann einmal mehr die berühmten Berge versetzen – vor allem, wenn subtile Verschiebungen von Tonalität und Harmonie ergreifende Wendepunkte hervorbringen, ebenso wie Assoziation an östliche Musikkulturen den Rahmen ausweiten.

Das „Bach-Erlebnis“, welches diese CD im folgenden aufbietet, bündelt sämtliche vorhandenen Qualitäten und ist von bestechender Klarheit und Eindringlichkeit. Höchst lebendig und eindringlich inszenieren die Zurich Chamber Singers die 11 Abschnitte von Johann Sebastian Bachs Kantate „Jesu, meine Freude“. Zu einem protestantisch-kargen Orgel-Kontinuum erheben sich die Stimmen, um von der Trauer, aber mindestens von genauso viel Zuversicht zu künden. So unmittelbar wie hier wirken die vielgestaltigen Affekte nur ganz selten. Also kann man davon ausgehen, dass alle Beteiligten den Sinngehalt der Texte tief verinnerlicht haben. Entsprechend lebt eine Bandbreite zwischen tiefer, echter Traurigkeit und hellem, frühlingshaften Vorwärtsstreben.

Genau das wird durch eine weitere dramaturgische Entscheidung unterstrichen: Thomas Tallis Trauergesang bildet den Anfang dieser Platte, während das zweite Stück „If ye love me“ am Ende ein optimistisches Signal setzt.

[Stefan Pieper, Februar 2018]

Hommage à Maurice Ravel

Aus der Konzertreihe ‚Porträts großer Meister’ hören wir am Abend des 25. Februar 2018 die ‚Hommage à Maurice Ravel’. Birgitta Eila und Heiko Stralendorff eröffnen mit einer vom Komponisten verfertigten Bearbeitung des Boléro C-Dur, woran Megumi Bertram mit der Sonatine in fis-Moll und Jeux d’eau anknüpft. Die erste Hälfte wird durch Eli Nakagawa und Heiko Stralendorff mit Werken für Violine und Klavier beschlossen: der Pavane pour une infante défunte (Bearbeitet von Tomislav Butorac), dem Blues aus der Violinsonate G-Dur und der Vocalise-Étude en forme de Habanera g-Moll. Nach der Pause spielen Birgitta Eila Gaspard de la nuit und das Duo Alexandra Steurer und Irina Shkolnikova die vierhändige Fassung des Komponisten seiner Rapsodie espagnole.

Zwei Monate nach dem 80. Todestag des großen französischen Meisters Maurice Ravel (und einen Monat vor dem 100. Todestag seines großen Kollegen Claude Debussy) ehrt der Pianistenclub München den Meister durch ein Portraitkonzert.

Neben Originalkompositionen hören wir auch Bearbeitungen, größtenteils vom Komponisten selbst. So schrieb er den Boléro auch für Klavier vierhändig um – eine schwierige Aufgabe für die Pianisten, lebt dieses Stück schließlich vom kontinuierlichen Anwachsen der wechselnden Instrumentation mit im Tutti aufgipfelndem Schluss. In dieser Hinsicht dankbarer, doch dafür komplexer, ist da die ursprüngliche Klavierversion der Rapsodie espagnole, die spanischer klingt als manch ein Werk eines Spaniers. Große Solowerke hören wir von den frühen Jeux d’eau bis zum grandiosen Meisterwerk Gaspard de la nuit, in welchem Ravel noch die Schwierigkeiten der Islamey von Balakirev überbieten wollte und die Annäherung an die Unspielbarkeit unter dem Blickwinkel künstlerischer Ästhetik erkundete.

Durch den Abend führt Heiko Stralendorff, der sich neben wortgewandtem Moderieren auch als einfühlsamer Begleiter präsentiert, der monotonen Unterstimme des Boléro Leben verleiht und der Violine einen präzisen und geschmeidigen Widerpart bietet. Birgitta Eila, welche die Oberstimmen im Boléro spielt, überzeugt auch im Gaspard de la nuit, dessen Ecksätze sie recht langsam, doch detailliert und mit angenehmer Weichheit nimmt. Am beeindruckendsten gelingt der Mittelsatz, dessen Totenglocke als ewiger Orgelpunkt durchklingt. Megumi Bertram rauscht sprichwörtlich durch die Jeux d’eau und die Sonatine, jedoch ohne erkennbare dynamischen Unterscheidungen. Viel Vibrato hören wir von der Geigerin Eli Nakagawa, die immerhin im Blues für manch beeindruckenden Effekt sorgt. Highlight des Abends sind Alexandra Steurer und Irina Shkolnikova, deren Musizieren dynamisch ausgereift, ausdrucksmäßig unprätentiös und innig ist.

[Oliver Fraenzke, Februar 2018]

Vermächtnis

Ondine, ODE 1310-2; EAN: 0 761195 131022

Tanja Tetzlaff und Gunilla Süssmann spielen die Werke für Cello und Klavier des finnischen Komponisten Einojuhani Rautavaara, der dieses Jahr 90 Jahre alt geworden wäre. Neben den beiden Sonaten für Cello und Klavier und der Sonate für Cello Solo sind die Zwei Präludien und Fugen, das Lied ‚Meines Herzens’ und die Polska für zwei Celli (beide Cellopartien im Overdubverfahren von Tanja Tetzlaff eingespielt) und Klavier zu hören.

Wir erfreuen uns am künstlerischen Vermächtnis des 2016 verstorbenen Finnen Einojuhani Rautavaara für Violoncello und Klavier, und nehmen zugleich vielleicht – was nicht zu hoffen ist – auch hiermit Anteil am künstlerischen Vermächtnis von Gunilla Süssmann, die aufgrund einer fokalen Dystonie um die Beweglichkeit ihrer rechten Hand bangen muss.

Einojuhani Rautavaara fand in den 1960er Jahren zu eigener Sprache und damit verbunden zunehmender Popularität, als er mit der Avantgarde abschloss und Pionier einer neuen Bewegung wurde, die heute oft als Post-Moderne bezeichnet wird. Unter diesem kaum definier- oder abgrenzbaren Begriff versteht man meist eine Symbiose neuer und alter Stilmittel. Konkret in Rautavaaras Fall könnte man von einer Zusammensetzung sämtlicher „Neo“-Stile sprechen, die allesamt Anwendung finden und doch nie den eigentlichen Kern ausmachen, gepaart mit Effekten der Moderne und düster-finnischem Gestus. Rautavaara nutzte beispielsweise Cluster als melodische Elemente, bemerkenswert unter anderem im ersten Klavierkonzert (heute als Pionierwerk geltend) oder auch in der ersten Cellosonate. Er spricht in einem unverwechselbaren Tonfall, melancholisch, bedrückend, voll im Klang und mit gewissem Pathos. Die dadurch entstehende Stimmung ist die eines ständigen „De Profundis“. Direktheit und geradezu ‚Nacktheit’ kennzeichnen die Musik, die Spieler wie Hörer körperlich und geistig herausfordert.

Fest verbunden, ja verschmelzend wirken die beiden Musikerinnen zusammen, Atem wie Herzschlag genauestens aufeinander abgestimmt. Frontal gehen sie auf den Hörer zu und verbergen nichts von den beinahe barbarischen Zügen der ehrfurchtgebietenden Tonlandschaften. Die Ursprünglichkeit der Musik Rautavaaras kommt eindrucksvoll zum Ausdruck. Leidenschaft und Einfühlungsvermögen der beiden sind offenkundig und stellen die Musik unverfälscht dar, ohne sich durch die virtuosen Höchstleistungen nur eine Sekunde lang veräußerlichend aufzudrängen.

Sachlich informativ ist der Booklettext von Kimmo Korhonen und emotional berührend das Geleitwort der beiden Musikerinnen zu ihrem Zugang zu Rautavaaras Musik.

[Oliver Fraenzke, Februar 2018]

Wie Dr. Clockwork Orange die Fuge liebte

Anthony Burgess (1917-1993): The Bad-Tempered Electronic Keyboard: 24 Preludes and Fugues (Stephane Ginsburgh: Klavier)

 

Grand Piano, GP 773: EAN 7 47313 97732 1

 

Wie bitte? Anthony Burgess? Das ist doch der von “Clockwork Orange”, diesem  ‚strangen’ Film aus den frühen 80ern, oder? Was hat denn der mit Musik zu tun, doch, obwohl, in dem Film spielte Musik – vor allem von Beethoven – eine große Rolle, aber Burgess als Komponist?

Doch, doch, bevor der sich nämlich der Literatur zuwandte und diesen Erfolg mit seiner Schreiben und der daraus resultierenden Filmadaption durch Stanley Kubrick verbuchen konnte, war er Musiker und vor allem auch Komponist. Das Booklet (nur auf englisch und französisch) gibt umfassend Auskunft über Werdegang und Weg des Anthony Burgess. Und dass es einen Pianisten und Komponisten reizt, sich auf die Spuren von Johann Sebastian Bach zu begeben und einen andAlternativzyklus zum ‚Wohltemperierten Klavier’ zu kreieren, teilt er mit vielen anderen Komponisten, wie z.B. Dimitri Shostakowitsch, Hans Gal – oder sogar Mario Castelnuovo–Tedesco mit ‚The well-tempered Guitar’! Immer wieder hat diese Aufgabe Komponisten gereizt, und so eben auch Anthony Burgess. Auch wenn die Literatur die Hauptfrucht seines sehr spannenden und interessanten Lebens war, das ihn von Manchester – seiner Geburtsstadt – bis nach Brunei und wieder zurück nach Europa führte, und seine letzte Lebensjahre verbrachte er in Monaco: er hörte doch nie auf zu komponieren, unter anderem drei Symphonien, Konzerte, Kammermusik und Lieder.

Der 1986 entstandene Zyklus unter dem ironischen Namen „The Bad-Tempered Electronic Keyboard“ zeigt schon Burgess’ nichtakademische Herangehensweise an diese Aufgabe.

Das erste, was mir beim Anhören auffiel, ist die quasi improvisatorische Musizierlust, die allen Stücken eignet. Als hätte der Komponist sie zu allererst einmal für sich selber geschrieben, zu seiner eigenen Vergnügung und Freude, ohne das so übliche Schielen nach Aufführung und Ruhm, also ähnlich wie Charles Ives, der ja sein Geld auch nicht mit seiner Musik verdiente, sondern als Mitinhaber einer großen Versicherung. So konnte er schreiben, was er wirklich wollte ohne Rücksicht auf den Musikbetrieb. Bei Burgess war nach der Ablehnung eines Musikstudiums der Lebensunterhalt und damit auch der „Ruhm“ durch seine Literatur und seine pädagogische Tätigkeit mehr als gesichert. Er sagte sogar einmal, am liebsten hätte er sein ‚Clockwork Orange’, das ihn unsterblich machen sollte, nie geschrieben, denn darauf würde er meistens reduziert. Auch bei den Stücken aus diesem Zyklus  – mit großem Enthusiasmus gespielt und lebendig gemacht vom belgischen Pianisten Stephane Ginsburgh –  ist die Freude am Komponieren durch alle 24 Dur und Moll-Tonarten deutlich zu spüren. Welches der Stücke besonders gut gefällt, ist eine so subjektive Frage, dass ich selber  keine Aussage machen kann und möchte, allerdings ist die Fuge über das Weihnachtslied „Good King Wenceslas“, ein besonders wunderbares Meisterstück, das den ganzen großartigen Bogen des gar-nicht-’bad-tempered keyboard’ grandios abschließt.

Natürlich sind die Stücke tonal und bewegen sich gekonnt und überzeugend im Rahmen des Tonartenkreises, man erwarte also keine Morton Feldman’schen oder Cage’schen Experimente, sondern eher das, was sich sicher mancher Klavierspieler selber schon vorgenommen hat: In allen 24 Dur und Moll-Tonarten einfach mach à la JSB selber loszuspielen und zu erleben, was dabei rauskommen kann und will.

[Ulrich Hermann, Februar 2018]