Lacrimae Lyrae – Tears of Exile

Fuga Libera Fug 763 (Outhere Music), EAN: 5400439007536

Crossover mit der Musik von John Dowland (1562-1626) gab und gibt es in allen möglichen – auch instrumentalen – Zusammenstellungen. Ob mit modernen Instrumenten oder historisch, die Musik des „Golden Age of English Music“ hat ihre Faszination bis heute bewahrt: Auch Sting hat ja vor Jahren ein Dowland-Projekt in sein Repertoire aufgenommen.

Aber diese Zusammenstellung mit dem griechischen Lyra-Spieler Sokratis Sinopoulos spielt in einer ganz anderen, eigenen Liga – um es flapsig auszudrücken. Anders als bei der Geige oder Gambe wird bei der griechischen Lyra nicht auf die Saite gegriffen sondern – neben ihr, das heißt, die Saite berührt den Nagel der entsprechenden linken Hand. Das erzeugt einen Ton, der sofort  ein wenig „schnarrt“, der Obertongehalt ist ähnlich wie bei einer Sitar. Und indem Sinopoulos ein absoluter Könner auf seinem Instrument ist, mit allen Segnungen des Orients – was man vor allem an seinem Melodie-Gefühl und der Agogik merkt –, ist es ein sehr aufregendes und beeindruckendes Zusammentreffen mit dem französischen Gamben-Ensemble L’Achéron.

Ob die sieben Pavanen, die der Dowland’schen Komposition ihren Name geben, oder die dazwischen eingeschobenen Tänze, Dowlands Gönnern gewidmet, die Stücke bekommen in der Ausführung dieser fünf Musiker eine neue Bedeutung, neue Klanglichkeit und damit neue Spannung, wie sie Dowlands Musik durchaus angemessen ist. Ebenso die improvisatorischen Einschübe, angeregt von der dichten Polyphonie des Originals, die zeigen, wie zeitlos und selbstverständlich die Ideen und Klänge von einst und jetzt miteinander eine faszinierende und höchste anregende Verbindung eingehen können.

Wobei anzumerken ist, dass sich die vier Gamben-Spieler durchaus nicht immer nur an ihre sonst üblichen durchgängigen Melodien anhand der Noten halten, sie variieren ihre „Begleitung“ in reichem Maß und bilden zusammen mit dem äusserst überzeugenden Melodie-Spiel der Lyra ein neuartiges Ganzes, das die Unsterblickeit der Musik des John Dowland wieder einmal eindrucksvollst zu Gehör bringt.

[Ulrich Hermann, September 2019]

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