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Eine kompakte, reiche Box an Methoden für den Instrumentalunterricht

Corina Nastoll: Üben geht klar! Effizient und mit Freude üben.

(Schott: üben & musizieren spezial)

UM 5031; ISBN: 978-3-7957-3094-9

Das Thema ÜBEN prangt in all seinen Facetten omnipräsent über dem Alltag aller Musikschaffenden wie auch aller Musikpädagogen. Ausgebildete Profimusiker beschäftigen sich ihr Leben lang damit, wie man am besten, am effizientesten und am zielführendsten die Zeit am Instrument ausnutzt – haben dabei, und das macht den Profi aus, stets große Ziele vor Augen. Nun gelten in der Pädagogik ganz andere Voraussetzungen. Denn wie will man Schülern, welche solche Ziele nicht haben, die ohne große Ambitionen – oder gar nur, weil es die Eltern wollen – ihr Instrument erlernen, die vielleicht die Motivation der Anfangsphase verloren haben, den Zugang zur Musik ermöglichen? Wie die Freude am Spielen? Wie will man Ziele überhaupt etablieren? Hierüber gibt es zahlreiche Ansätze, Methoden und natürlich Lektüre; das Feld wird nun bereichert durch ein kompaktes wie ausgesprochen lohnenswertes Heft von Corina Nastoll.

Der große Verdienst von Corina Nastolls Sammlung aus acht Artikeln unter der Überschrift „Üben geht klar!“ liegt gerade darin, dass sie auf diejenigen Schülerinnen und Schüler eingeht, die nicht von selbst ihren Weg zur Musik erkennen, sondern welche die Unterstützung tatkräftiger Pädagoginnen und Pädagogen benötigen, Spaß am Instrument (wieder) zu entdecken und sich im Idealfall eigenständige Ziele zu setzen. Den Lesern bietet sie ein reiches Feld an Ideen und Methoden, sich solchen Schülern zu widmen, stellt Arbeitsblätter bereit und verweist auf vielseitige weiterführende Literatur: Bücher, Podcasts, Apps, Videos – ein Großteil kostenfrei zugänglich. Auf kompakten 43 Seiten im A4-Format gebündelt, in acht Artikel separiert und durch Unterüberschriften gegliedert, mit Bildern aus dem Übealltag und kleinen Kästchen mit Tipps und weiterführenden Hinweisen ansprechend gestaltet, lädt das Heft auch zur Lektüre für zwischendurch ein und kann immer wieder wertvollen Input geben, der sogleich auf den eigenen Unterricht übertragbar ist.

Das Leitthema dieses Heftes besteht darin, Übeunlust zu überwinden. Corina Nastolls Methodik stützt sich in erster Linie auf einen persönlichen Zugang und eine individuelle, sprich gewissermaßen von Methodik ferne, Annäherung an die Bedürfnisse der Schüler: Zunächst gilt es, ein angenehmes, stressfreies Unterrichtsklima zu schaffen, in dem sich die Schüler öffnen und entfalten können, um von dort aus die Reise zu starten. Hier angekommen, beginnt sie, die Gründe für die mangelnde Motivation herauszukristallisieren: Zeitprobleme, Rahmenbedingungen zuhause, psychosoziale Ursachen, also alles von gewissen Entwicklungsphasen der Kinder und Jugendlichen zu sozialer Einbindung, übertriebenen Ansprüchen bis zu mangelnden Beziehungen zuhause oder im Unterricht. Selbstreflektiert geht Corina Nastoll immer wieder auch auf die Unterrichtsgestaltung ein, sucht auch hier Gründe für Übeunlust. Damit etabliert sie in erster Linie die Unterrichtsweise zum Kernthema, lässt das eigene Unterrichten immer wieder hinterfragen, in Folge dessen aktualisieren und personalisieren. Dazu erstellte sie auch mehrere Vorlagen für Feedbackbögen.

In den folgenden Artikeln geht Nastoll darauf ein, wie Pädagogen die erkannten Gründe neutralisieren und überwältigen können. Zunächst beschreibt sie Methoden, den inneren „Übecoach“, also die oft lähmenden Stimmen im Kopf der Eleven, positiv zu beeinflussen: Dazu gehört, zu loben, Wünsche an das Spiel nicht als Kritik, sondern als aufbauende Elemente darzustellen, und nicht zuletzt, Fehler zu akzeptieren. Sie arbeitet an „Soft Skills“, besonders dem Hören in Verbindung mit dem Instrument, will den Schülern helfen, „Vertrauen“ zu sich selbst zu stärken, und zielt darauf, die „Versenkung“, den sogenannten Flow, zu manifestieren, um noch mehr im Instrument aufzugehen. Eine hier bemerkenswerte Erkenntnis ist, dass Schüler oftmals mit prall gefüllten Gedanken in den Unterricht kommen und eigentlich gar nicht bereit sind für die intensive, den gesamten Fokus fordernde Arbeit. Hierfür stellt Corina Nastoll eine Reihe an kurzen, dadurch unterrichtsgeeigneten Konzentrationsübungen ohne Instrument vor, um von den ablenkenden Gedanken Abstand zu gewinnen und sich neu sammeln zu können. Ebenso erklärt sie die Rolle des Einspielens und der Stille im Unterricht.

Ein weiterer zentraler Punkt gerade im Umgang mit Kindern und Jugendlichen ist die soziale Einbindung: So sehr das Instrument auch Spaß macht, wir verbringen viel Zeit zu Hause alleine am Üben, was dem sozialen Drang oft entgegensteht. So erklärt Corina Nastoll die Bedeutung von Gruppenunterricht und zeigt auf, wie dieser effizient genutzt werden kann; sie spricht sich klar für Ensembles aus und hebt Musizier-Partnerschaften hervor, wo auch Schüler unterschiedlichen Niveaus voneinander profitieren können. Schließlich setzt sie für ihre Schüler klare, erreichbare und motivierende Ziele, die auf die Interessen der Schüler angepasst sind, auch lange Ferien überdauern und sich erneut auf die Übermethodik zurückbeziehen. Auch hier stehen zahlreiche Arbeitsblätter parat.

In einem getrennten Abschnitt behandelt Nastoll das Üben mit erwachsenen Schülern, die ganz eigene Erfahrungen mitbringen und andere Ziele verfolgen: Meist steht hier nicht der virtuose Vortrag, sondern das Absetzen vom Alltag, die Zeit für sich, im Vordergrund. Dies bedarf ganz anderer Methodik. Auch hier gibt Corina Nastoll Übungen zum Üben, zum Integrieren des Instruments in den Alltag und zum Wohlbefinden.

[Oliver Fraenzke, August 2023]