Requiem-Rarität trifft Requiem-Promi

Herbert Howells: Requiem (1936)
Maurice Duruflé: Requiem, Op. 9 (Fassung für Chor, Solisten, Orgel und Solo-Cello)
Saint Thomas Choir of Men & Boys, Fifth Avenue, New York
Leitung: John Scott
Mezzosopran: Kirsten Sollek, Bariton: Richard Lippold
Orgel: Frederick Teardo, Cello: Myron Lutzke

Label: Resonus / Vertrieb: Naxos
EAN: 5060262791059 / Art.-Nr.: RES10200

Eine ausgezeichnete CD ist beim für stabile Qualität bekannten britischen Label Resonus erschienen. Im Mittelpunkt des Interesses steht Maurice Duruflés herrliches Requiem, das der Komponist, inspiriert von gegrorianischen Gesängen, uns als post-impressionistisches Meisterwerk der französischen Sakralmusik überliefert hat. Es wird auf diesem Album nicht nur in der im Vergleich zur üppigen Orchesterfassung eher selten gehörten, intimeren Version für Chor, Solisten, Cello und Orgel dargeboten, sondern es wird – Überraschung! – ausnahmsweise einmal NICHT mit Faurés berühmtem Requiem gekoppelt, was ja auch einmal ganz erfrischend ist. Stattdessen (…und da lässt vermutlich die britische Provenienz des Labels dieser Aufnahme grüßen…) kommt man in den sehr seltenen Genuss des Requiems von Herbert Howells.

Howells war einer der produktivsten Komponisten geistlicher Musik im 20. Jahrhundert, ein enger Freund von Ralph Vaughan Williams. Die kreative Korrespondenz zwischen Vaughan Williams und Howells ist musikgeschichtlich durchaus bedeutend, denn beide regten sich gegenseitig immer wieder zur Komposition neuer Werke an, tauschten Ideen aus und kritisierten einander freundlich, wenn auch bestimmt.

Leider ist das sehr interessante Œuvre Herbert Howells‘ hierzulande praktisch unbekannt. Und da man auch Duruflés vergleichsweise berühmtem Requiem doch immer noch ein paar mehr Hörer wünschen möchte, gerade auch in dieser wunderbaren Partitur-Version, die ein Solo-Cello im Pie Jesu (wie vom Komponisten vorgeschlagen) mit einbezieht (was in dieser Form meines Wissens noch nie auf CD zu hören war), ist dieses Album einfach eine sehr interessante Sache.

Der „Saint Thomas Choir of Men & Boys, Fifth Avenue, New York“ ist nicht nur ein Chor, der gute Chancen auf den Rekord für den weltlängsten Ensemblenamen im Chorsektor für sich reklamieren darf, sondern er erweist sich auch als ein professioneller Klangkörper mit wunderbarer Ensembleklangkultur, die in der tontechnisch ausgezeichneten Aufnahme der Resonus-Toningenieure wirklich makellos eingefangen wurde. Zwar sind die hohen Männerstimmen technisch nicht immer ganz astrein, doch die ausgesprochen emotionale Hinwendung der Sänger zum Werk macht diese leichten Abstriche im technischen Bereich wieder wett.

Es ist dies nämlich eine Einspielung, die tatsächlich berührt. Es gibt in dieser Aufnahme so viele Momente, die einem im besten Sinne nahegehen und die ich so auch in Aufnahmen mit weitaus namhafterer Besetzung kaum einmal überzeugender gehört habe. Mezzosopran-Solistin Kirsten Sollek besitzt genau die stimmliche Natürlichkeit und Zurückhaltung, die zu Duruflés Musik passt, während Bariton Richard Lippold wesentlich kraftvoller tönt und mit auffallend opernhaftem, dominantem Vibrato manchmal eher wie ein Fremdkörper in dieser ansonsten außergewöhnlich stimmigen Interpretation erscheint.
Ein Sonderlob verdient Organist Frederick Teardo, der auf der herrlich warm und „holzig“ klingenden Orgel der New Yorker Saint Thomas Church ausgesprochen kantabel und rhythmisch stimmig phrasiert. Die musikalische Leitung von John Scott ist gleichfalls souverän und behutsam. Er verordnet seinem Chor ein unwiderstehlich „sahniges“ Legato, an dem man sich  natürlich auch leicht reiben kann. Das ist Geschmackssache.

Das Howells-Requiem ist ein A-Cappella-Stück und geht mit zum Teil ziemlich fordernden Intervallsprüngen einher. Hier muss der Chor wirklich bis an seine Grenzen gehen, und das hört man leider manchmal auch, vor allem bei den hohen Knabenstimmen. Insgesamt wirkt der Vortrag beim Howells-Requiem auch in punkto Dynamik etwas komprimierter, sodass dieses selten gehörte Requiem leider die etwas weniger überzeugende Hälfte eines alles in allem aber sehr hörenswerten Albums darstellt.

[Grete Catus, November 2017]

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