In meinem Vorwort zum Erstdruck der Suiten für Violoncello allein von Walter Courvoisier, welches man auf der Seite von Musikproduktion Höflich nachlesen kann, schrieb ich, es könne „keine Rede davon sein“, dass Courvoisier „die Violoncellosuiten nachträglich verworfen [habe], wie er es mit anderen Werken nachweislich getan hat, denn er beließ ihnen ihre Opuszahl“, nämlich die Nummer 32. Damit war ich im Irrtum. Seit kurzem ist nun der Klavierauszug von Courvoisiers letzter, niemals aufgeführter Oper Der Sünde Zauberei auf imslp zu finden. Dieses 1929, acht Jahre nach den Suiten, fertiggestellte Werk (dem man eine möglichst baldige, möglichst gute Uraufführung wünscht!) ist als „op. 32“ bezeichnet und rückt somit in Courvoisiers offiziellem Werkverzeichnis an den Platz, der ursprünglich für die Cellosuiten vorgesehen war.
Diese Feststellung lässt mich jedoch nicht an meiner Theorie zweifeln, dass Courvoisier die beiden Cellosuiten unveröffentlicht ließ, nicht weil er mit der Qualität der Werke unzufrieden war, sondern weil er eine Sammlung von sechs Werken entsprechend den Violinsuiten op. 31 im Sinn hatte und sich, aus welchen Gründen auch immer, die Einfälle für die vier übrigen Suiten nicht einstellen wollten. Dass es sich bei den beiden fertiggestellten Cellosuiten um Meisterwerke handelt, die gespielt und gehört zu werden verdienen, bestätigt Prof. Julius Berger, der die h-Moll-Suite op. 32/2 auf den Weidener Max-Reger-Tagen 2022 uraufgeführt hat. Im Beiheft seines bei Wergo herausgekommenen Albums Soldanella, das neben der h-Moll-Suite weitere Solostücke von Reger, Tovey und Adolf Busch enthält, schreibt er: „Mich fasziniert in der hier eingespielten Suite das dramatisch klingende Appassionato am Beginn, die Allemande mit ihren nachdenklichen Aspekten, die virtuose Courante, die Sarabande, die an die berühmte Air von Bach erinnert, eine attraktive Bourrée und ein besonderes Menuetto, gefolgt von einer heroischen Gigue. All dies in unverwechselbarer Klangsprache! Ich bin dankbar, dass ich auf diese Suiten gestoßen bin.“
[Norbert Florian Schuck, Juni 2023]