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Ein unbewältigter Romantiker – Anton Urspruchs Klavierwerk

Hänssler Classic (3CD), LC 13287; EAN: 8 814881605 4

Anton Urspruch: Complete Piano Works; Ana-Marija Markovina (Piano)

Die in Deutschland aufgewachsene Kroatin Ana-Marija Markovina hat nun bei Hänssler ihre bereits 2010 begonnene Einspielung sämtlicher Klavierwerke des aus Frankfurt stammenden Spätromantikers Anton Urspruch (1850-1907) vollendet.

Ana-Marija Markovina hatte zuletzt mit ihrer Gesamtaufnahme der Klaviermusik von C. Ph. E. Bach (auf 26 CDs!) Furore gemacht. Wahrscheinlich war dadurch das Projekt, das Klavierwerk Anton Urspruchs komplett einzuspielen, liegen geblieben. Die Aufnahmedaten, die Hänssler im Booklet nennt, sind leider irreführend! Die Aufnahmen von knapp zwei der drei CDs sind identisch mit der 2011 bei GENUIN classics (GEN11205) erschienenen Doppel-CD (aufgenommen 2010 in Bielefeld), lediglich der Rest kann – wie hier global angegeben – vom Bayerischen Rundfunk 2016 in Neumarkt (i.d. Opf.) produziert worden sein.

Urspruchs zu Lebzeiten hochgeschätztes Soloklavierwerk besteht lediglich aus sechs Opusnummern, die Einzelstücke daraus haben aber teils beachtliche Längen. Seine musikalische Ausbildung erhielt Urspruch bei Joachim Raff, später war er einer der Lieblingsschüler Franz Liszts. Stilistisch hingegen knüpft er mit einer gewissen Phantastik vor allem direkt an Schumann an – und der meist recht vertrackte Klaviersatz ähnelt weit mehr dem von Brahms als dem Liszts. Frau Markovinas Herangehensweise wird allerdings den Ansprüchen nur wenig gerecht. Zwar schreibt Urspruch über erstaunlich weite Strecken f – ff vor; Markovina tappt aber hier in die Falle und gerät regelmäßig in recht undifferenziertes, pedalbetontes Gewummere. Die zugegebenermaßen bei solchen Passagen an der Grenze der Ausführbarkeit stehende Kontrapunktik wird zwar angedeutet; aber um wirklich klar zu werden, fehlt es an konsequenter Artikulation im Detail und vor allem stören teils sehr willkürliche Temposchwankungen. Schumanns romantische Visionskraft in Kombination mit Brahmsscher Faktur scheint die Pianistin schon auf technischer Ebene zu überfordern. Da, wo Urspruchs Musik tatsächlich gefährlich an die Grenze des „Ausflippens“ gerät – was durchaus wagemutig und interessant sein könnte –, erklingt sie in Markovinas Darbietung häufig unverständlich, so z.B. im fünften der musikalisch ergiebigen Fantasiestücke op. 2. Diese Musik steht zwar irgendwo zwischen allen Stühlen, aber ihre klare Form und emotionale Stringenz benötigte eher eine hochvirtuose, aber von nüchterner Präzision geprägte Gestaltungskraft etwa eines Swjatoslaw Richter. So wirkt sie hier stellenweise leider nur etwas überdreht bis verrückt. Rein lyrische Passagen und die kleinteiligen Deutschen Tänze op. 7 gelingen Markovina überzeugender – aber das ist nur eine Facette dieses vielschichtigen Spätromantikers. Neugierig machen kann diese Edition schon – ihren Meister muss Urspruchs Klaviermusik aber erst noch finden.

[Martin Blaumeiser, August 2018]

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