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Die Marimba erkunden

Oehms Classics, OC 1891; EAN: 4 260330 918918

Fumito Nunoya spielt Konzerte für Marimba: Das Programm beginnt mit Antonio Vivaldis C-Dur-Konzert RV 433, welches ursprünglich für Flautino komponiert wurde. Hiernach hören wir das Konzert für Marimba und Streicher des 1961 geborenen Franzosen Emmanuel Séjourné und schließlich das Marimbakonzert „The Crossed Sonar Of Dolphins“ von Takatomi Nobunaga, der 1971 in Tokyo auf die Welt kam. Nunoya wird begleitet vom Kurpfälzischen Kammerorchester unter Johannes Schlaefli, in Nobunagas Konzert unterstützt von Benyamin Nuss am Klavier.

In die Kunstmusik fand die Marimba erst spät Einzug, wenngleich es bereits Belege für das Instrument aus dem Jahr 1680 gibt. Vom heutigen Guatemala aus verbreitete sich die Marimba schnell in mehreren Ländern, wobei immer wieder neue Bauformen auftraten – auch nach Japan gelangte das Instrument recht früh. Popularität erreichte die Marimba im 20. Jahrhundert, als unter anderem Steve Reich und Harald Genzmer Werke für sie komponierten und The Rolling Stones sie in „Under my thumb“ verwendeten.

Auf der vorliegenden CD hören wir zwei Originalkompositionen für die Marimba sowie das Flautinokonzert C-Dur RV 433 von Antonio Vivaldi, wozu die Schlagwerkstimme allerdings ebenso vortrefflich passt. In diesem Konzert minimiert Nunoya den Hall seines Instruments weitgehend und achtet auf präzise Linien, denen er ein gutes Maß an Kernigkeit verleiht, und dennoch weich bleibt. Lange Noten verziert er mit Trillern und kleine Verzierungen, passt den Klang der Marimba allgemein dem Ideal der Barockzeit an.

Emmanuel Séjournés Konzert für Marimba und Streicher zählt mittlerweile zu den Klassikern für das Instrument. Ein romantischer Schleier durchzieht das gesamte Werk, besonders Rachmaninoff gibt sich als Einfluss zu erkennen. Das Konzert ist idiomatisch für die Marimba konzipiert, erkundet das Instrument in allen Registern und schöpft dessen Möglichkeiten aus. Nunoya entlockt der Marimba einen singenden und zarten Ton, lässt teils gar die perkussive Funktion des Instruments zugunsten der Melodieelemente vergessen.

Zuletzt geht die Reise nach Japan zu Takatomi Nobunagas Marimbakonzert, welches den Titel „The Crossed Sonar Of Dolphins“ trägt. Die Bildlichkeit dieses Werks übersteigt bloße Programmatik, taucht eher ein in die Naturalistik: Man glaubt förmlich, Delphine zu hören, Wellen zu sehen und das Meer zu riechen. Nobunagas Musik lässt sich schwer einer Schule oder einem Stil zuordnen, er schafft vollkommen eigene Sphären und Regeln, die dem Instinkt wie auch der Sinnlichkeit unterliegen. Nunoya gibt die Rolle des Solisten auf, fügt sich als gleichberechtigter Mitstreiter ins Kurpfälzische Kammerorchester ein, wirkt als Einheit mit den Streichern und dem Klavier, das Benyamin Nuss beisteuert. So entsteht eine Symbiose aus drei gänzlich unterschiedlichen Klangcharakteren, die sich vermischen und vermengen, dabei immer wieder neue Facetten und Kombinationen zutage fördern.

[Oliver Fraenzke, April 2019]

Harfen und Geigen soll’n auch nicht schweigen…

Johann Wilhelm Hertel (1727-1789): Drei Harfenkonzerte in D, G und F; Symphonie in B-Dur
Silke Aichhorn, Harfe; Kurpfälzisches Kammerorchester; Kevin Griffiths, Dirigent

CPO 777 841 – 2; EAN; 7 61203 78412 7

Fakt ist, dass Johann Wilhelm Hertel bisher fast nur SpezialistInnen bekannt war, wo er doch in Schwerin im dortigen Musikleben des 18. Jahrhundert eine wichtige Rolle spielte. Aber dank CPO – dem Label, das immer wieder für Überraschungen und vor allem Neuentdeckungen gut ist – sollte sich das mit dieser CD mit Hertels Harfenkonzerten ändern.  Die drei Konzerte und auch seine Symphonie in B-Dur lassen einen sehr gewandten Komponisten erkennen, der den Tonfall der damals verbreiteten „Empfindsamkeit“ zu bemerkenswerter Blüte brachte. Denn seine Musik ist nicht nur schön und überzeugend, sie schließt auch die Lücke – wenigstens teilweise – zwischen Bach’scher kunstvollster Polyphonie und dem Idiom der Wiener Klassik. Und daran haben die hervorragende Harfenistin Silke Aichhorn und das Kurpfälzische Kammerorchester unter seinem Dirigenten Kevin Griffiths entscheidenden Anteil.

Das ist nicht nur gut musiziert, sondern lässt diese Musik in all ihrem melodischen, harmonischen und klanglichen Reichtum aufblühen. Da stimmen Phrasierung, Zusammenspiel und Begleitung mit dem überzeugenden Spiel der Solistin überein, das ist ein echtes „Concertare“, eine wunderbare Neuentdeckung einer Musik, die einen vom ersten bis zum letzten Ton mitnimmt und mitschwingen lässt.

Natürlich ist die Harfe ein Instrument – da dem Klavier sehr ähnlich –, das reiche Möglichkeiten der Melodik und der Harmonik zusammen mit der Klanglichkeit, wie sie eben ein Instrument hat, das ohne nötige „Mechanik“ oder Klappen oder Bögen direkt mit den Fingern und eben auch dem dazu gehörigen „Fingerspitzen-Gefühl“ gespielt wird, in die musikalische Waagschale legen kann. Wenn dazu ein Komponist, wie Johann Wilhelm Hertel einer war, sein ganzes Können diesen Kompositionen mitgibt, dann ist es kein Wunder, dass diese CD eine echte Bereicherung der Musik des 18. Jahrhunderts offenbart. Es gab eben auch vor Mozart, Haydn und Beethoven eine Art klassischer Musik, die – dankenswerter Weise – heute wieder stärker in den Blickpunkt rückt.

Ich kann gar nicht sagen, welches der drei Konzerte mir am besten gefällt, alle drei – genau so wie auch die Symphonie – sind für das Ohr ein musikalischer „Schmaus“, der bezaubert und durchaus den Wunsch weckt, mehr zu hören zu bekommen vom Schweriner Meister Johann Wilhelm Hertel.

[Ulrich Hermann, Juli 2017]