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Ein goldenes Zeitalter in Bild und Ton

BelAir classiques, BAC143; EAN: 3 770115 301436

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BelAir classiques veröffentlicht eine DVD von Dmitri Schostakowitschs Ballett Das Goldene Zeitalter auf ein Libretto von Isaak Glikman und Yuri Grigorovich aus dem Jahre 1982. Rita wird gespielt von Nina Kaptsova, Ruslan Skvortsov übernimmt die Rolle des Boris, Mikhail Lobukhin ist Yashka, Ekaterina Krysanova verkörpert Lyuska und der Compère der Varieté-Show wird dargestellt von Vyacheslav Lopatin. Es spielen Ballett und Orchestra of the State Academic Bolshoi Theatre of Russia unter Leitung von Pavel Klinichev.

Meist werden die drei großen Ballette von Dmitri Schostakowitsch vollkommen übergangen, und doch beweisen auch sie den hohen Stellenwert des Komponisten. Es sind vergleichsweise frühe Werke, Das Goldene Zeitalter von 1929/30, Der Bolzen 1930/1 und Der Helle Bach 1934/5, jedoch stellen sie bereits die hohe Kunst der Orchestration Schostakowitschs ebenso wie seine versierte Behandlung thematischen Materials und seine harmonische Erfindungsgabe zur Schau. Die Musik ist von enormer erzählerischer Bildhaftigkeit, so dass auch ohne ein Wort die Geschichte verständlich wird. Es ist leichte Musik und dabei nie kitschig oder flach, immer mit einer gewissen Substanz und hoher Inspiration.

Den Höher mag verwundern, dass spätere Werke des Russen in die zu hörenden Aufnahme eingewoben sind wie Tea for Two oder Ausschnitte aus den beiden Klavierkonzerten (gar der gesamte Mittelsatz des zweiten Konzerts): Dies geht auf das Bolshoi-Libretto von Yuri Grigorovich zurück, der sieben Jahre nach dem Tod des Komponisten das Ballett gemeinsam mit Isaak Glikman wiederbelebte.

Alle Akteure sind bestens aufeinander eingespielt, jeder kennt seinen Platz im Geschehen und ist vortrefflich mit der Gesamtproduktion vertraut. Die Tänzer gehen auf jede noch so minimale Geste der Musik ein und entzücken durch absolute Körperbeherrschung und höchste Ausdruckskraft. Durch schnelle Szenenwechsel und adäquate Behandlung der Kameraeinstellung entsteht ein bruchloses Kontinuum.

Auch agiert das Orchester unter Leitung von Pavel Klinichev in engem Bezug auf die Tänzer, es gerät sich weder in deren Schatten noch drängt es sich in den Vordergrund – die Musik ist fest eingegliedert in ein Gesamtkunstwerk. Die Musiker spielen routiniert, aber nicht abgestumpft, sie nehmen die Partitur noch immer in aller Frische auf und lassen sie unverbraucht auf den Hörer wirken. Sie stellen die Musik leicht und beschwingt-tänzerisch dar, geben nichtsdestoweniger Kraft und Aussage in die Gestaltung.

[Oliver Fraenzke, August 2017]