Schlagwort-Archive: Vyacheslav Nagovitsyn

Vorübergehend

Naxos, 8.579069; EAN: 7 47313 90697 0

Flötensonaten des 20. Jahrhunderts stehen auf dem Programm der aktuellen CD des Flötisten Danis Lupachev und des Pianisten Peter Laul. Zu Beginn hören die die 1936 komponierte Sonate von Paul Hindemith, darauf folgen die Gattungsbeiträge von Vyacheslav Nagovitsyn (1962) und Edison Denisov (1960). Den Abschluss bildet die D-Dur-Sonate op. 94 aus der Feder Prokofieffs, geschrieben 1943.

So sehr ich ein Verfechter der weniger bekannten Musik bin, so muss ich doch in diesem Fall gestehen, dass die beiden bekannten Sonaten dieser Aufnahme die bezwingenderen und stilistisch wie musikalisch prägnanteren dieser CD sind. Die Sonate von Vyacheslav Nagovitsyn hat durchaus ihre starken Momente und betört mit manch einem ansprechenden Klangeffekt, wirkt aber als Gesamtes wenig stimmig, die einzelnen Teile wollen nicht so recht miteinander verschmelzen – zu groß klafft die Schlucht zwischen den modernistischen Stilelementen mit schrillen, engen Akkorden sowie dissoziierter Melodie und doch rückwärtsgewandten, beinahe tonalen Passagen. Recht bedeutungslos plätscherte die Sonate von Edison Denisov an mir vorbei, die in ihrer gemäßigten Modernität zwar nett zu hören ist, aber auch nichts Aufsehenerregendes birgt. In ihrer kecken Sperrigkeit und der wohldosierten Distanz sticht die Flötesonate op. 94 in D-Dur von Prokofieff hervor, die vor allem in ihrer späteren Umarbeitung zur Violinsonate Nr. 2 Bekanntheit erlangte. Klassizistisch ausgewogen und anders als in der Ersten Symphonie ohne den beißenden Sarkasmus bildet sie einen ernsten und substanzgeladenen Beitrag zur Kammermusik des 20. Jahrhunderts. Die Flötensonate Hindemiths zählt zu dessen bekannteren Werken, wenn man doch nicht umher kommt anzumerken, dass dieser Großmeister – zweifelsohne einer der größten Komponisten Deutschlands – noch immer stiefmütterlich behandelt und fast nie wirklich aufgeführt wird. Mit seiner Reihe an idiomatischen Sonaten für alle möglichen Instrumente schuf er je auf das Instrument zugeschnittene, die Möglichkeiten ausschöpfende und perfekt ausbalancierte Gattungsbeiträge gerade für die Instrumente, denen sonst wenig Literatur gewidmet ist; in ihrer Gänze bilden diese Sonaten quasi ein Kompendium des Komponierens für die jeweiligen Instrumente.

Technisch präzise und stimmig meistern Denis Lupachev und Peter Laul diese anspruchsvollen Werke der Moderne. Die beiden Musiker stimmen sich dynamisch und artikulatorisch fein aufeinander ab, was besonders das Klavier zu flautierend-singenden Melodieführungen anspornt. Obgleich an dieser Aufnahme nur wenig auszusetzen ist, so springt doch der Funke nicht so recht über und man geht im Großen und Ganzen eher unberührt an dieser Aufnahme vorbei. Mag es daran liegen, dass Denis Lupachev doch nicht ganz die klangliche Flexibilität und Biegsamkeit besitzt, wie sie mir beispielsweise letztens bei Clara Andrada [Zur Rezension] begegnet sind? Oder ist doch die Tontechnik nicht sensibel genug auf die feinsten Schattierungen eingegangen, so dass nun die plastische Ebene fehlt? Woran es liegen mag, es unterminiert die Spannung, die gerade bei solchen wie den hier zu hörenden Werken hoch sein müsste, um all die Kontraste zu genießen und die stilistische Vielfalt dieser Musik zu bewundern.

[Oliver Fraenzke, April 2020]