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Der Klang Okinawas

Pingipung 48, EAN: 880319731525

Der deutsche Schlagzeuger und Produzent Sven Kacirek brachte von einer Reise ins japanische Okinawa mit Mina Mermoud und Agnieszka Krzeminska verschiedenste Volkslieder mit und fügte ihnen neue Instrumentalbegleitungen hinzu. Das Album erschien bei Pingipung.

Nach seinem so erfolgreichen wie originell mitreißenden Album „The Kenya Sessions“ verschlägt es Scen Kacirek nun nach Japan, mit dem Ziel, die Erschließung uns unvertrauter Musikkulturen nun mit Volksmusik aus Okinawa fortzuführen. Im fernen Osten nimmt Kacirek Lieder mehrerer ortsansässiger Volksmusiksänger auf – seine Begleiterin Mina Mermoud konnte mit vielen Künstlern Treffen organisieren. Die Sänger, größtenteils wohl unausgebildet, singen teils Solo und teils begleitet von einem Sanshin, einem dreiseitigen Instrument, welches gerne mit dem Banjo verglichen wird. Diesen Liedern fügt der Perkussionist neue Instrumentalstimmen hinzu, Marimba, Bassmarimba, Besen auf verschiedenstem Material und Klavier sind zu hören.

Credo von Sven Kacirek ist es, die ursprüngliche und seit etlichen Generationen bis heute im aktiven Musikgebrauch überlieferten Lieder nicht zu verfälschen, sondern lediglich zu bereichern mit seiner Rhythmus- bzw. Instrumentalkunst. Das Prinzip ist wohl so zu verstehen wie das der frühen westlichen Mehrstimmigkeit, die den Gregorianischen Choral als gottgegebenes Heiligtum behandelte und ihm durch neue Stimmen lediglich zu mehr Glanz verhalf. Zwar nimmt sich der Schlagzeuger durchaus auch die Freiheit, eigene Vor-, Zwischen- oder Nachspiele hinzuzufügen, doch bereiten diese hauptsächlich auf den Eintritt der Singstimme vor bzw. umranken diese. Äußerst stimmungsvoll gerät direkt der Beginn des Albums, in welchem Naturgeräusche langsam mit Perkussionsbegleitung versehen werden, bis nach längerem Aufbau der Sänger einsetzt.

Sven Kacirek erfüllt mit größtem Feingefühl und sichtlichem Geschick sein Vorhaben, die perkussiven Elemente passen sich so exakt in die vorgegebenen Stimmen ein, dass es geradezu so wirkt, als wären die Lieder niemals in anderem Kontext erklungen. Man käme auch nie auf die Idee, hier einen westlich ausgebildeten Schlagwerker zu hören, so angepasst ist sein Spiel dem japanischen Klang – wobei ich mich hier auf mein „westliches“ Gehör berufen muss: wie die Zusammensetzung für einen Japaner aus Okinawa klingt, lässt sich für mich nicht beurteilen. Für mich jedoch kann Sven Kacirek den eigentümlichen Sound des östlichen Landes unverstellt vermitteln und diesen eigentümlichen pentatonischen Klang mit seinem Instrumentalspiel noch deutlich bereichern. Er greift die teils rauen und unsauber erscheinenden, ja teils recht kratzigen Stimmen auf, überträgt die Melodien auf seine Instrumente und spinnt sie eigens weiter, reichert aber auch mit zusätzlichen Stimmen an und schafft ein klares, aber doch dichtes Geflecht.

Der kurze Begleittext von Mina Mermoud klärt prägnant über die Vorgehensweise des Ausnahme-Schlagzeugers auf und fasst kurz die Musikhistorie Okinawas zusammen. So erhält der Hörer Einblick in diese faszinierende Welt, die mit einem Mal im eigenen Wohnzimmer erklingt.

[Oliver Fraenzke, Februar 2016]