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Courvoisier-Uraufführung auf den Weidener Max-Reger-Tagen

Weiden, evangelisch-lutherische Kirche St. Michael

Samstag, 1. Oktober 2022, 19 Uhr

Julius Berger, Violoncello

Eintritt: 20 €, ermäßigt 15 €, Schüler und Studenten 5 €

Adolf Busch (1891–1952)
Präludium und Fuge d-Moll op. 8b (1922)

Johann Sebastian Bach (1685–1750)
Suite Nr. 1 G-Dur BWV 1007

Walter Courvoisier (1875–1931)
Suite h-Moll op. 32/2 (1921)
URAUFFÜHRUNG 

Johann Sebastian Bach
Choralvorspiel Wenn ich einmal soll scheiden BWV 727 (bearbeitet von Julis Berger)

Max Reger (1873–1916)
Suite Nr. 2 d-Moll op. 131c

Walter Courvoisier um 1929, Photographie von Heinrich Traut (1857-1940)

Als Herausgeber des Werkes ist es mir eine besondere Freude, die Uraufführung der Suite für Violoncello solo h-Moll op. 32/2 von Walter Courvoisier anzukündigen. Am 1. Oktober 2022 wird Julius Berger im Rahmen der 24. Weidener Max-Reger-Tage das 1921 entstandene, aber erst 2021 gedruckte Werk des Reger-Zeitgenossen in der Michaelskirche zu Weiden zum ersten Mal öffentlich zu Gehör bringen. Weiterhin erklingen Solowerke für Violoncello von Max Reger, von Johann Sebastian Bach, dessen Schaffen auf diesem Gebiet sich Reger wie Courvoisier zum Vorbild nahmen, und von Adolf Busch, der als einer der großen Violinisten des frühen 20. Jahrhunderts Widmungen von Reger wie von Courvoisier empfing.

Walter Courvoisier schrieb im Herbst 1921 zwei Suiten für unbegleitetes Violoncello, in A-Dur und h-Moll, die er unter der Opuszahl 32 zusammenfasste. Diese Werke sind offensichtlich als Gegenstück zu seinen Sechs Suiten für Violine allein op. 31 gedacht gewesen, die zur gleichen Zeit entstanden und in den Worten des Komponisten der selbstgestellten Aufgabe entsprangen, „zu erforschen, welche der Möglichkeiten in der Komposition alter Tanzformen auch heute noch gegeben sind“. Im Gegensatz zu den Violinsuiten, Courvoisiers erfolgreichster Publikation, blieben die Violoncellosuiten unveröffentlicht, wobei sich über den Grund nur spekulieren lässt. Am wahrscheinlichsten erscheint mir, dass der Komponist, ganz nach dem Vorbild Bachs, auch für das tiefe Streichinstrument einen Zyklus von sechs Suiten schreiben wollte und deshalb sein op. 32 mit zwei Werken noch nicht als vollständig ansah. Bis zu seinem Tode 1931 entstand allerdings keine weitere Cellosuite mehr.

Die beiden Suiten op. 32, von denen übrigens die als „Nr. 1“ bezeichnete A-Dur-Suite die jüngere ist, haben jeweils sieben Sätze und sind ungefähr 20 Minuten lang. Im Aufbau gleichen sie damit völlig Courvoisiers Violinsuiten op. 31. Wie in diesen, so beginnt auch hier die Moll-Suite mit einer improvisatorisch anmutenden Einleitung, während die Dur-Suite direkt von der Allemande eröffnet wird. Hinsichtlich der tonalen Anlage geht Courvoisier kaum über das Vorbild Bachs hinaus und schreibt lediglich jeweils einmal einen Satz in der Paralleltonart. Innerhalb der Sätze freilich nutzt der Komponist, wie auch sein Zeitgenosse Reger, reichlich die Möglichkeiten, die sich ihm als einem Künstler des frühen 20. Jahrhunderts bieten. Hier eine kurze Übersicht über den Aufbau beider Werke:

Suite Nr. 1 A-Dur

Allemande

Courante

Sarabande

Bourrée

Arioso (Tranquillo)

Gavotte [fis-Moll]

Gigue

Suite Nr. 2 h-Moll

Introduction: Appassionato – attacca:

Allemande

Courante

Sarabande [im 6/4-Takt!]

Bourrée

Menuetto I [D-Dur] – Menuetto II [h-Moll] – Menuetto I da capo

Gigue

Meine kritische Edition der Suiten op. 32 erschien 2021 in der Reihe Beyond the Waves bei Musikproduktion Jürgen Höflich, München. Nähere Informationen zu diesen Werken entnehmen Sie bitte meinem Vorwort zu dieser Ausgabe.

[Norbert Florian Schuck, September 2022]

Die Reise zu Busch geht weiter

Adolf Busch (1891-1952)
Kammermusik CD 2
Bettina Beigelbeck
Busch Kollegium Karlsruhe

Toccata Classics  TOCC0293
5 060113442932

Ulrich6

Divertimento für Klarinette, Oboe und Englischhorn op.62b (1944)
Sonate in A-Dur für Klarinette und Klavier op. 54 (1939, rev. 1940)
Suite in d-Moll für Klarinette solo op.37a (1926)
Hausmusik: Duett No. 2 für Violine und B-Klarinette op.26b (1921)
Fünf Kanons in Unisono für drei Instrumente, BoO 60 (1949)
Hausmusik: Deutsche Tänze für B-Klarinette, Violine und Violoncello op.26c (1921)

Mit der zweiten CD mit Kompositionen von Adolf Busch – den meisten nur als einer der überragenden Geiger des 20. Jahrhunderts bekannt – füllen Bettina Beigelbeck und das Kollegium Karlsruhe eine weitere Lücke im Schaffen des als Komponist immer noch allzu unerschlossenen Geigers, neben Fritz, Hermann, Willi und Heinrich der genialste von fünf Brüdern.
Es beginnt mit einem sehr aparten, sechssätzigen Divertimento für Klarinette, Oboe und Englischhorn aus dem Jahr 1944, als Adolf Busch längst nach Amerika ausgewandert war und dort eben mit anderen Kollegen seine Projekte realisierte. Die seltene Besetzung der drei Holzbläser vereinigt aufs Schönste die verschiedenen Klangfarben, die Themen sind sowohl vom Melodiösen als auch vom Rhythmischen her kleine Kostbarkeiten. Wobei das dunkelgetönte Englischhorn die Bassfunktion hat. Zum Abschluss wird der erste Satz noch einmal wiederholt und gibt so dem ganzen Stück eine  gelungene zyklische Struktur.
Die 1939 entstandene und 1940 revidierte Sonate für Klarinette und Klavier, die Busch auch seiner Freundschaft mit dem englischen Klarinettisten Reginald Kell (1906-1981)
„verdankt“, wie auch seinem legendären Duo-Partner und Schwiegersohn Rudolf Serkin (1903-1991), ist ein Schwergewicht in drei Sätzen und dauert auch fast eine halbe Stunde. Bettina Beigelbeck und der Pianist Manfred Kratzer spielen das Allegro ma non troppo, das Scherzando vivace und das Grave, Adagio espressivo e cantabile, Allegretto, Molto Allegro – quasi presto mit der entsprechende Hingabe und lassen diese Komposition als ein Hauptwerk für diese Besetzung aufscheinen. Beiden Partien sind alle möglichen virtuosen und umfassend musikalischen Schwierigkeiten einkomponiert, die aber den melodischen und musikalischen Fluss niemals stören oder zum Selbstzweck werden. Die Kombination Klarinette und Klavier hat ja durchaus schon längere Tradition, man denke an Schumann oder an Saint-Saëns, Draeseke, Reger und andere.
In der Suite in d-Moll für Klarinette solo wünschte ich mir noch mehr Gelassenheit und befreiten linearen Fluss, der den Intervallen, die ja auf der Klarinette vollkommen mühelos zwischen Extremlagen springen können (ein besonderes Merkmal dieses so wundervoll singen-könnenden Instruments), mehr Gerechtigkeit widerfahren ließe. Sie sind ja doch das A und O dieser viersätzigen Suite, die mich  daran erinnert, dass auch Igor Strawinsky (1882-1971) drei Stücke für Klarinette solo komponierte, die ich einmal mit Ralph Manno (geb. 1964) in staunenswerter Aufführung hörte.
Dass Adolf Busch den Terminus „Hausmusik“ und Stücke dieser Art nicht verschmähte, war schon bei der nicht weniger lohnenden ersten CD mit Kammermusik mit Klarinette zu hören. Auch hier stehen vier Duette für Klarinette und Violine, von 1921, an. Wieder  die berührende Melodik zweier sehr gut zu einander passenden Instrumente, die diesen Stücken eine Leichtigkeit geben, die zum Nachspielen durchaus reizt. Es mag Hausmusik sein, allerdings auf hohem Niveau.
Auch die fünf Unisono-Kanons für drei Instrumente von 1949 –neben der Klarinette sind auch zwei Oboen mit von der Partie –, als Geschenk zu Weihnachten für Buschs zweite Frau Hedwig (1916-2006) komponiert, sind Hausmusik im eigentlichen Sinne, jedoch gespickt mit Herausforderungen, sowohl was das Zusammenspiel als auch was die technischen Schwierigkeiten anbelangt.
Auch als „Hausmusik“ deklariert sind die Deutsche Tänze aus dem Jahr 1921, das für Busch sowieso ein wichtiges war, denn zum ersten Mal ging er da zu Aufnahmen ins Schallplattenstudio. Außerdem entstand damals sein Violinkonzert a-Moll.
Mit einem „gemütlichen“ Walzer beginnen sie, sehr “groovy“, ein wunderschönes Stück für die drei Instrumente. Der Walzer führt dann unmittelbar in ein humoristisches Vivace über, das wiederum von einer Walzer-Reminiszenz abgelöst wird, der ein poco tranquillo folgt und melancholische Töne bringt, die allerdings schnell einer erneut walzerseligen Stimmung weichen. Äußerst hörenswert, durchaus auch wieder zum Nachspielen reizend, ist diese kleine Folge von fast biedermeierlichen und durchaus nicht im Tiefsinn versinkenden Tänze.
Also nicht nur als phänomenaler Geiger, dessen Beethoven- und Mozart-Einspielungen bis heute Gültigkeit haben (neben unzähligen anderen Aufnahmen, die Adolf Busch auch einmal zusammen mit seinem Bruder, dem Dirigenten Fritz Busch, machte), ist Adolf Busch eine Erscheinung von Ausnahmerang, und es wird Zeit, dass er auch als Komponist seinem Rang entsprechend wahrgenommen wird, wofür die ausgezeichnete Klarinettistin Bettina Beigelbeck und ihre vortrefflichen Mitstreiter nun eine wahrhaft scharf geschliffene Lanze gebrochen haben. Beide CDs (Nr. 1 und 2) sind ein bravouröser Beginn und lassen auf Weiteres nachdrücklich hoffen.

[Ulrich Hermann, Dezember 2015]