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Die Kunst des Programmierens

Naxos, 8.551414; EAN: 730099 141437

Unter dem Titel „France Romance“ verbergen sich Klavierwerke vorwiegend französischer Komponisten, gespielt von Kotaro Fukuma. Auf dem Programm stehen zwei kurze Werke Debussys, aus der Feder Faurés zwei der acht kurzen Stücke op. 84 und die drei Romanzen ohne Worte op. 17, Ravels Pavane pour une infante défunte und La Valse (neu arrangiert), die erste der Gymnopédies und Je te veux (bearbeitet vom Pianisten) von Satie, Poulencs 15. Improvisation und drei Novelettes, 6 Arrangements des Bulgaren Alexis Weissenberg von Charles Trenets Liedern und Parlez-moi d’amour von Jean Lenoir, arrangiert vom Pianisten.

Zunächst erweckte dieses bunt gemischte Programm verschiedener, größtenteils französischer Komponisten mein Interesse, denn man hätte einige Werke dieser Tonsetzer sicherlich stimmig zusammenfügen können zu einem einheitlich wirkenden Ganzen. Doch das Aufstellen eines guten Programms ist eine Kunst für sich, wie diese CD als Gegenbeispiel eindrücklich zeigt.

Zusammengefasst wurden die Werke unter dem kitschigen Titel „France Romance“, was weder der epochalen Vielseitigkeit der Musik gerecht wird, noch derem teils enormen Gehalt. Auch die Reihenfolge der einzelnen Stücke wirkt komisch: Wie kann man nach dem skurrilen und hoch virtuosen Glanzstück La Valse die „Möbelmusik“ Saties, zumal dessen erste Gymnopédie, programmieren? Sicherlich, Kontraste geben Vielfalt und halten die Spannung, doch es hängt schließlich auch keiner einen Bilderrahmen eines schwedischen Möbelkonzerns neben die Mona Lisa. Wo es hier zu viele Kontraste gibt, gibt es an anderen Stellen zu wenige, und ein sentimentales Stück reiht sich ans Nächste. Will also Kotaro Fukuma ein seriöses Klavieralbum präsentieren oder eine Kamin-Musik für romantische Abende? Die Zusammenstellung passt zu keinem von beidem.

Technisch spielt Kotaro Fukuma auf höchstem Niveau und bleibt absolut akkurat, was die Ausführung der Spielanweisungen angeht. In den melancholischen und sentimentschwangeren Stücken verträumt er sich gerne in eine Stimmung, hier könnte er noch mehr die innermusikalischen Kontraste hervorheben. Präzise bleibt Fukuma in La Valse, dem er noch einige der Orchesterstimmen hinzugefügt hat: Bei diesem Werk merkt man die enorme Arbeit, die der Pianist hineinstecken musste, um die eigenwillige Klangwelt zum Leben zu erwecken, was abgesehen des etwas gedroschenen Finals durchaus gelingt. Weniger Mühe machte sich Fukuma mit Ravels Pavane pour une infante défunte, das zwar seine Wirkung nicht verfehlt, allerdings in vielen Details vor allem der Pedalisierung nicht der Intention des Komponisten entspricht: welch enormen Ausdruck kann das Thema entfalten, wenn man es die ersten beiden Male ohne oder fast ohne Pedal nimmt! Ich denke hier an die grandiosen Aufnahmen von Juan José Chuquisengo und auch die von Håkon Austbø, welche das je auch ihre Art intensiv und reflektiert umgesetzt haben. Etwas schockiert war ich von Fukumas Bearbeitung von Saties Je te veux. Dieses Lied lebt, wie eben die Musik Saties allgemein, von größtmöglicher Einfachheit und Sachlichkeit: Fukuma fügt allerdings virtuose Passagen wie von Liszt ein, verschnörkelt die Melodie oder fügt neue Stimmen hinzu. Bei romantischer Musik ließe sich sowas durchaus machen, nicht aber bei einer Musik, die eben aller Virtuosität entsagt.

[Oliver Fraenzke, Mai 2019]