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Shooting Star in der Konsolidierung

Dacapo 8.226144; EAN: 6 3694361442 6

Das Danish National Symphony Orchestra hat nun zwei weitere großbesetzte Stücke von Søren Nils Eichberg (*1973) auf Dacapo eingespielt: seine Dritte Symphonie von 2015 unter Leitung von Robert Spano sowie das Konzert für Orchester „Morpheus“ (2013), dirigiert von Joshua Weilerstein. Vielleicht nicht mehr so vordergründig spektakulär, aber stilistisch gefestigt, weiß diese Musik erneut durchaus zu packen.

Nachdem der deutsch-dänische Komponist Søren Nils Eichberg (Jahrgang 1973) mit seinen ersten beiden Gattungsbeiträgen vor ein paar Jahren als Shooting Star unter den postmodernen, europäischen Symphonikern gefeiert wurde, scheint er mit der sehr persönlichen Symphonie Nr. 3 in eine Konsolidierungsphase getreten zu sein.

Unter dem Eindruck des unvermeidlich nahenden Todes seines Vaters entstanden, tritt in Eichbergs „Dritter“ zu einem großen Orchester noch Chor und – recht dezent, fast unauffällig – Elektronik hinzu. Neben dem rein instrumentalen Zitat eines Wiegenlieds von Carl Nielsen wird der Chor mit Texten des altchinesischen Dichters Qu Yuan (auf Deutsch) und hebräischen Versen von David Vogel beschäftigt, die natürlich die Vergänglichkeit des Daseins anhand existenzieller Fragen reflektieren. Spürbares Unheil macht sich in den acht stark kontrastierenden Abschnitten u.a. durch Klänge aus dichten Quintschichtungen breit. Eichberg arbeitet auch mit dem „Shepard tone“ und algorithmisch entwickelten, selbstähnlichen Klangpattern. Wie schon in den beiden ersten Symphonien lässt der Komponist es aber auch hier mal im Bassregister loskrachen, wechselt von vollster Besetzung zu kammermusikalischen Kleinoden, die wie Inseln die Aufmerksamkeit des Zuhörers fokussieren. Insgesamt ist das Stück rhapsodischer als die klar gegliederten Vorgänger. Der kontemplative, sehr tonale und hoffnungsvolle Schluss klingt dann leider etwas nach Edelkitsch. Trotzdem ist das aber immer noch um Klassen interessanter als etwa die – mich völlig kalt lassenden – subjektiven, symphonischen Entgleisungen der fast gleichaltrigen Johanna Doderer.

Morpheus knüpft noch wesentlich direkter an die Symphonien Nr. 1 & 2 an; manche Idee scheint sich fast schon gefährlich zu wiederholen. Nicht nur an Stellen orchestraler Wucht zeigt sich einmal mehr Eichbergs eminente Orchestrierungskunst – beinahe dekadent, wie Andrew Mellor im Booklet korrekt feststellt. Das siebensätzige Konzert ist ein ironisch grinsender Totentanz in einer Traumwelt, der naturgemäß der verlässliche Boden unter den Füßen fehlt – mit etwas vordergründiger Wirkung, der man sich aber kaum entziehen kann.

Der erfahrene Robert Spano (Symphonie) und der zum Zeitpunkt der Aufnahme gerade mal 26-jährige Joshua Weilerstein (Morpheus) leiten das Dänische Nationalorchester beide mit Verve und kosten mit großer Lust die harten Kontraste in Eichbergs Musik aus, ohne diese ihrer fraglos ebenso vorhandenen Momente tiefer Ernsthaftigkeit zu berauben. So macht das Zuhören erst einmal jedem Spaß, der virtuose Orchesterkunst mag. Eichberg sollte allerdings aufpassen, dass sich seine zugegebenermaßen gekonnten Effekte nicht allzu schnell abnutzen.

[Martin Blaumeiser, März 2019]