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Erfreulich „unmodischer“ Mahler aus Dallas

Gustav Mahler
Sinfonie Nr. 3
Dallas Symphony Orchestra, Dallas Symphony Chorus, Children’s Chorus of Greater Dallas
Kelley O’Connor (Mezzosopran)
Jaap van Zweden
Label: DSOlive
Art.-Nr.: DSOlive007, LC: fehlt, EAN: 844667036053

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Zwar spät, dann aber mit umso mehr Trara, ist die deutsche Presse darauf aufmerksam geworden, dass die New Yorker Philharmoniker mit dem Niederländer Jaap van Zweden einen aufsehenerregenden neuen Chefdirigenten bekommen haben. Nun erscheint eine neue Einspielung van Zwedens beim Label des Dallas Symphony Orchestra: ausgerechnet Mahler! Wie spannend!

Etwas merkwürdig war es schon, als nach der Verkündung dieser durchaus ungewöhnlichen Wahl in der gesamten Welt die Schlagzeilen nur so purzelten, während in Deutschland mehrere Wochen lang Totenstille herrschte. Im Zuge der neuesten CD-Veröffentlichung van Zwedens ist aber auch die deutsche Presse endlich aufgewacht. Dass neben den Berliner Philharmonikern, die mit Kyrill Petrenko ebenfalls einen Chefdirigenten gewählt hatten, der zumindest auf globaler Ebene gesehen nicht zur A-Prominenz zählte, nun auch die New Yorker Philharmoniker mit Jaap van Zweden einen Dirigenten in den Chefsessel gesetzt haben, der vorher fast nur durch Positionen in der musikalischen Diaspora, wie Hongkong und Dallas auffiel, sorgte nun endlich für hochgezogene Augenbrauen.

Trefflich ließe sich darüber nachdenken, ob diese beiden Orchester nicht vielleicht viel weiter sind, als das Gros der in ihrer vermeintlichen Komfortzone sanft vor sich hin schnarchenden deutschen Musikpresse. Beiden Orchestern geht es ganz offenbar kompromisslos um die Qualität der musikalischen Darbietung, und um nichts anderes. Währenddessen kleben weite Teile der deutschen Presselandschaft immer noch an den „großen Namen“. Jaap van Zweden war vielen Journalisten (trotz umfangreicher Diskografie, trotz nicht lang zurückliegender Deutschlandtournee des von ihm geleiteten Hong Kong Philharmonic Orchestra) noch nicht einmal im Ansatz bekannt. Das sagt viel aus, ebenso wie das: Seltsam leidenschaftslose Rezensionen und Artikel finden sich in der heutigen Musikpresse, sodass man sich eigentlich nicht sehr wundern muss, dass allerorten die Leser in Scharen davonlaufen.
Auch das orchestereigene Label des Dallas Symphony Orchestra war in Deutschland bislang nicht eben unter den Labels zu finden, die besonders häufig rezensiert werden. Mit der neuen Einspielung von Mahlers Dritter unter Leitung Jaap van Zwedens ist dies nun einmal anders: Grund ist eben die Berufung van Zwedens zum Chef in New York. Und dort ist er ja bei einem Orchester gelandet, das niemand Geringeren als Gustav Mahler höchstpersönlich Anno 1909 zum Chefdirigenten erkor und (viel) später dann mit Leonard Bernstein den wegweisenden Mahler-Zyklus der 1980er-Jahre vorlegte. Unter diesem Aspekt ist es natürlich äußerst spannend zu erfahren, was van Zweden aus einer Sinfonie wie Gustav Mahlers Dritter macht.

Das Endergebnis ist sehr erfreulich, viele werden sagen erstaunlich. Jaap van Zweden ist glücklicherweise kein Dirigent, dem es vor allem um Pomp und Gloria geht. Eigentlich ist er das krasse Gegenteil des bisherigen Chefdirigenten der New Yorker Philharmoniker Alan Gilbert, der ein echter „Showman“ war. Vielmehr fällt van Zwedens Mahler zunächst einmal durch eine vornehme Zurückhaltung auf. Das Fortissimo des Jaap van Zweden ist meilenweit entfernt von dem Fortissimo der Art Draufgänger, wie es sie schon zuhauf in der Mahler-Diskographie gibt. Jaap van Zweden greift in punkto Orchesterdynamik erfreulich selten zum Äußersten. Damit kommt er dem Mahler-Orchester der Jahrhundertwende vermutlich sehr viel näher als ein Großteil der Dirigenten, die meinen, bei Mahler mal “voll aufdrehen“ zu müssen.

Mit dem Dallas Symphony Orchestra steht van Zweden bei dieser Einspielung ein guter, wenn vielleicht auch nicht in allen Position exzellent besetzter Klangkörper zur Verfügung. Man darf sehr gespannt sein, wie dieser hochinteressante, elegante Dirigent ein Orchester wie das New Yorker Philharmonic dirigieren wird, das aus einem ganz anderen Holz geschnitzt ist.

Aber auch mit dem Dallas Symphony Orchestra erreicht van Zweden herausragend schöne Momente. Die grandiose Orchestrierung von Mahlers dritter Sinfonie nimmt der niederländische Dirigent zum Anlass zu einem veritablen Klangfarbenrausch.
Spielzeittechnisch ist Mahlers dritte unter van Zwedens Händen eine der längeren Einspielungen, die am Markt verfügbar sind. Das passt gut ins Bild: van Zweden hatte bei Naxos bereits ein „Rheingold“ vorgelegt, bei dem besonders gemäßigte Tempi zu Diskussionen in der Fachpresse Anlass gaben. Bei dieser Mahlereinspielung ist es ein ähnliches Bild: Ich persönlich finde das eigentlich ganz angenehm, denn hier ist ein Dirigent, der sich nicht an gängige Muster hält, sondern der wirklich aus dem Notentext eine eigene Interpretation erarbeitet. Mit seinen meist gemäßigten Tempi steht er ja auch in einer guten Tradition. Das erinnert an Knappertsbusch, an Kegel und Jochum. Dass eine solche Auffassung heute nicht modisch ist, dürfte klar sein. Dabei ist dies doch sehr erfrischend: Ein Dirigent, der sich nicht um Moden schert, wird in den nächsten Jahren die Geschicke des bedeutendsten US-amerikanischen Orchesters leiten. Wie schön!

[Grete Catus, April 2016]