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Bilder und Momente

Naxos 8.573469; EAN: 7 47313 34697 4

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Über siebzig Minuten Rachmaninoff gibt es auf der nunmehr dritten CD von Boris Giltburg für Naxos zu hören. Den zweiten Band der Études-tableaux Op. 39 und die zwanzig Jahre früher entstandenen Moment musicaux Op. 16 (wenn auch die Jahreszahlen auf der CD vertauscht wurden) spielt der 1984 in Moskau geborene Pianist.

Die unglaubliche Inspiriertheit von Sergei Rachmaninoff manifestiert sich nirgendwo monumentaler als in seinen Klavierminiaturen. Der lyrische Moment der nachklingenden Romantik ist in diesen auf vollendete Weise enthalten, sie haben eine fesselnde und mitreißende Wirkung, stets schillernde Bildhaftigkeit und auch pianistisch mehr als reizvolle Passagen. Sehr eindrücklich zeigen dies bereits die frühen Moments musicaux Op. 16 von 1896, von welchen vor allem die vierte Nummer in e-Moll berühmt geworden ist durch ihre packende Virtuosität, über die sich ein Thema erhebt, welches schlichter und eingängiger kaum sein könnte. Für mich der spannendste und vielleicht ausgereifteste Werkzyklus des Russen bleibt allerdings derjenige der Études-tableaux, der in zwei Bänden Op. 33 und Op. 39 erschienen ist. „Etüden-Bilder“, dieser Name trifft den Inhalt vorzüglich, weisen doch alle enthaltenen Stücke horrende technische Anforderungen auf (teils hintergründig und versteckt wie bei Op. 33, Nr. 3, doch beim Spielen durchaus merklich, denn gerade hier liegt die Herausforderung darin, die Stimmführung herauszumeißeln – auch das ist eine technisch nicht zu unterschätzende Aufgabe!) und sind doch allesamt keine reinen Übungsstücke, sondern abstrakte Illustrationen oder, wie Giltburg in seinem Booklettext schreibt, Kurzgeschichten, teils wie akustische Filmvorlagen. Die Etüden aus dem hier zu hörenden Opus 39 weisen zwar nicht die würzige Kürze und Unmittelbarkeit derjenigen aus Op. 33 auf, doch dafür einen viel weiter gespannten Bogen über mehrere Abschnitte hinweg, noch höhere pianistische Anforderungen und eine ausgereifte Vielstimmigkeit.

Boris Giltburg findet in den Werken einen durchwegs lyrischen Grundcharakter, eine gewisse Weichheit und bildliche Strahlkraft. Auch die vielstimmigen Akkorde erhalten einen vollen Ton und gleiten nicht in ein dumpfes Schlagen ab. Manuell kann Giltburg bis hin in enorme Tempi überzeugen, manch horrend schwieriges Stück gerät bei ihm gar noch schneller als vom Komponisten intendiert und lässt dadurch staunen.

Einiges verliert sich allerdings in Willkür, so werden die Tempi zu oft durch freie Rubati unterbrochen und jeder Grundpuls geht dadurch verloren, teilweise auch die innere Ruhe durch beschleunigenden Puls wie in Op. 39, Nr. 2. Die Ritardandi sind zudem vielerorts mechanisiert und treten automatisch an gewissen Stellen auf, meist beim Zulaufen auf den neuen Takt oder einen Themeneinsatz. Aus mir nicht erkennbaren Gründen, scheinbar unbewusst, durchlebt die Dynamik erhebliche Abweichungen von der in den Noten stehenden Vorzeichnung, wodurch einige Kontraste verloren gehen. Nicht zuletzt tauchen, hauptsächlich bei den Etüden, auch einige zentrale Melodien komplett in den Untergrund ab, die entscheidend für die melodische Aussage der Werke wären.

So wäre wirklich zu wünschen, Boris Giltburg würde intensiv daran arbeiten, die Stücke aus ihrer Unmittelbarkeit heraus zu erleben und aus mancherlei tradierten Willkürlichkeiten, Manierismen und Mechanisierungen zu befreien. Denn die Auffassungsgabe, den Kern aus der Musik herauszuholen, hat er eigentlich und kann es in manchen Stücken auch eindrucksvoll umsetzen.

[Oliver Fraenzke, Mai 2016]