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300 Jahre Louis XIV

Le Concert Royal de la Nuit

Ensemble Correspondances
Sébastien Daucé

Harmonia Mundi HMC952223.24
3 149020 222379

Ulrich7

Die CD beschert uns regelmäßig Neuentdeckungen oder Wiederaufführungen vergessener oder verschollener Werke. So weit, so gut, dafür ist sie das geeignete Medium. Ob das allerdings auch für die hier vorliegende Scheibe in jeder Hinsicht gilt, ist eine Frage. Im Februar 1653 – kurz nach den Aufständen der Fronde in Frankreich –  erlebte ein eindrucksvolles höfisches Schaustück der frühen Regierungszeit Ludwigs XIV. im Louvre seine Uraufführung: das Ballet Royal de la Nuit. Sogar der König selbst im zarten Alter von 15 Jahren tanzte daselbst mit – als Sonnengott, als Verkörperung seiner umfassenden eigenen Macht.
Über dieses Riesenprojekt gibt das fast 200 Seiten umfassende „Booklet“ erschöpfend und mit unzähligen Bildern geschmückt in fünf verschiedenen Sprachen Auskunft. Welch ein Aufwand für die zwei dazugehörigen CDs des Ensembles Correspondances aus Grenoble, das  Sébastien Daucé gegründet hat und leitet.
Die Musik stammt wie das Libretto von damals sehr bekannten Autoren, die allerdings heute mehr oder weniger vergessen sind und nur den Spezialisten der Alten Musik etwas sagen dürften. Nun gut, es kommen ja in den letzten Jahren erstaunliche Meisterleistungen wieder zum Vorschein – ob berechtigt oder nicht, ist für den, der sich damit beschäftigt, nie die erste Frage. Und Sébastien Daucé hat sich damit sehr ausführlich befasst, das zeigt diese Produktion ganz klar.
Er und seine MusikerInnen und Musiker versuchen, einen der großen Momente der französischen Geschichte wiederauferstehen zulassen, als um 1653 die Zeit des „Sonnenkönigs“ eben erst begonnen hatte, die ja zu den Höhepunkten der Histoire Française gehört. Ob allerdings – trotz oder gerade wegen  – des bilderreichen, umfassenden beigegebenen Booklets die CD dafür der geeignete „Rahmen“ ist, bleibt zu fragen.
Warum nicht die ganze „Arbeit“ verbinden mit einem Fernseh-Feature, sei es mit der Aufnahme, sei es als eigene Produktion. (Wie es Cecilia Bartoli mit „The Mission“ bei Arte wunderbar gelungen ist: Auch da gibt es ein massives Booklet zur Scheibe.)
Und wenn „nur“ die Musik erklingt, dann doch bitte mit der Intensität und Lebendigkeit eines Jordi Savall oder eines der beispielhaften Ensembles für Alte Musik. Ansonsten bleibt diese Kunst – wie auch auf diesen beiden CDs – seltsam blass und als bloßes historisches Dokument zu unergiebig und zu belanglos. Denn Bilder schöner Kostüme und die dazugehörigen Tanzposen ersetzen nicht die tänzerische und musikalische Wirklichkeit, die dieses Ereignis ja damals – und mit geeigneter Umsetzung auch heute –haben konnte und noch haben könnte.

[Ulrich Hermann, Dezember 2015]