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Kraft bis zur Grenze der Hörbarkeit

An einem kühlen Abend, dem wahrscheinlich letzten Rückfall des diesjährigen Winters, strebten vereinzelte Menschen mit eiligen Schritten durch dunkle Gassen, die Hände in den Seitentaschen der Mäntel, den Kopf eingezogen zwischen Kragen und Schultern. Das gemeinsame Ziel war ein etwas versteckt liegender Saal am Rande des 1. Wiener Bezirks; ein repräsentatives Haus, ein Palais aus der Gründerzeit, von derem einst selbstverständlichen Stolz kündend. In diesem Palais ein Saal, holzgetäfelt, anheimelnd, auch heute noch geschmacklich zu ertragen, findet eine vergangene Zeit peu à peu ihre neue Gegenwart.

Die vergangene Zeit ist die von Stefan Zweig besungene „Welt von gestern“, eingängig geschriebene Pflichtlektüre für alle, die verstehen wollen, warum in Wien manche Pflastersteine noch heute singen können, und des Buches Raunen von einem aufgelassenen Konzertsaal, dem legendären Bösendorfer-Saal in der Herrengasse, wo sich heute das einst erste Hochhaus Wiens befindet, damals, vorher, lang dahin, einer der Klavier- und Kammermusiktempel der Welt. Das letzte Konzert in jenem Saal wurde einst vom Rosé-Quartett gespielt, dessen Primarius der Schwager von Gustav Mahler war, und dessen Tochter Alma Rosé, nur um sich die letzte Schrecklichkeit des Vergehens jener Welt einmal mehr in Erinnerung zu rufen, in Auschwitz um ihr Leben gebracht wurde, wo sie – einer der absoluten Gipfel des Zynismus – das Mädchenorchester zu leiten hatte, das zumindest den Musikerinnen in einigen Fällen, wie Anita Lasker-Wallfisch und Esther Bejarano, das Überleben ermöglichte.

Die nun langsam entstehende Gegenwart ist der in seiner zweiten Saison befindliche Bösendorfer-Zyklus im Haus der Ingenieure in der Eschenbachgasse; und dieses Unterfangen der Klavierfabrik Bösendorfer ist aus vielen Gründen ein Glücksfall.

Die damalige Schleifung des alten Bösendorfer-Saales koinzidierte mit dem Bau und der Eröffnung des Wiener Konzerthauses, das ein Monopol zweier Konzerthäuser festigte, die zwar zu den akustisch immer noch feinsten, und natürlich überhaupt bedeutendsten, berühmtesten und schönsten (Wiens, und damit) der Welt gehören, nicht umsonst größter lokaler Stolz und Sehnsuchtsort der großen weiten Musikwelt, jedoch auch das in Wien immer schon jenseits des Starkults umtriebige und herzenskünstlerische Musikleben zu annullieren die Tendenz hatte. Anders gesagt: außerhalb der beiden großen Häuser und ihrer Konzertreihen fand und findet sich kaum ein Platz für die zahlreichen wunderbaren Künstlerinnen und Künstler, die es überall gibt, und den Bedarf der Menschen nach Musik, der von der Öffentlichkeit ausreichend wahrgenommen wird, und in dem das Publikum die Möglichkeit hat, zum Fachpublikum zu reifen, das sein Gehör an der Musik schult und nicht die Augen am neuesten angesagten Stern am wetterwendischen Musikhimmel.

Die große Wahrnehmung fehlt dem Bösendorfer-Zyklus sicher noch, wobei die Idee eines Geheimtipps durchaus ihren bleibenden Reiz hat, doch nimmt er in einer Stadt, in der nichts so hoch geschätzt wird wie Tradition, mit historischem Recht seine eigene Geschichte wieder auf, berichtet und bezeugt von Stefan Zweig („…Als die letzten Takte Beethovens verklangen, vom Rosé-Quartett herrlicher als jemals gespielt, verließ keiner seinen Platz… Man verlöschte die Lichter, um uns zu verjagen. Keiner der vier- oder fünfhundet Fanatiker wich von seinem Platz. Eine halbe Stunde, eine Stunde blieben wir, als ob wir es erzwingen könnten, durch unsere Gegenwart, dass der alte geheiligte Raum gerettet würde.“) und öffnet einen neuen Raum, eine neue Möglichkeit, außerhalb der Wiener Traditionshäuser Klavier- und Kammermusik auf höchstem Niveau zu hören. Bevor sich diese Zeilen also der Protagonistin des Abends zuwenden, sei also nachdrücklich und mit deutlicher Empfehlung auf die Existenz dieser Konzertreihe, die es schafft, als Projekt aus der Vergangenheit heraus Gegenwart zu schaffen, hingewiesen.

Nun zum Konzert selber, ein Klavierabend der Pianistin Martina Filjak, die, aus Kroatien stammend in Wien studierte und 2009 in Cleveland einen der wichtigsten Klavierwettbewerbe überhaupt in mehreren Kategorien gewann. Die Vita im Programmheft gab dem Publikum bereits die vorauseilende Möglichkeit zur Einschätzung ihrer Qualitäten, indem hier, einer allgemeinen Unsitte folgend, der Beschreibung der Karriere vorschusslorbeerend die Wertung durch in diversen Rezensionen gesammelte ausgesuchte Adjektive vorangestellt wurde. Dieser Salbe hätte es gar nicht bedurft, denn vom ersten Moment an zeigte Martina Filjak, aus welchem Holz sie geschnitzt ist: eine hochmusikalische und absolute Beherrscherin ihres Instruments, und künstlerisch und stilistisch in der Lage, einen großen Bogen vom Barock in die Gegenwart treffsicher zu spannen.

Beim Wort Barock müssen wir gleich innehalten. Händel und Bach auf einem modernen Flügel: ja geht denn das? – Ja, es geht, denn zuerst ist diese Musik, Händel’s Suite Nr. 7 in g-moll und die Chromatische Fantasie und Fuge in d-moll von Bach, zwar nicht für einen modernen Flügel geschrieben worden, und Originalklang-Anhänger mögen sich auch lieber aus Prinzip abwenden, als sich einer nicht neuen Erkenntnis zu öffnen: es ist in dieser Musik etwas Allgemeingültiges, etwas wie ein Tongebäude, ein Tonsatz, dessen Struktur und Bewegung per se überinstrumental ist, und eben auch auf einem modernen Instrument verwirklicht werden kann. Musik wird nicht vom Klang gemacht, sondern vom Menschen, und ein musikalischer Geist kann, wie hier Martina Filjak, diese Musik darstellen.

Der Pianistin gelang das sehr gut, ihre Fähigkeit zur gesanglichen Stimmführung im piano und in langsamen Sätzen ist außergewöhnlich, lässt ständig neu aufhorchen und machte besonders die Suite von Händel zu einem hellhörigen Erlebnis. Bach’s Fantasie erlag ein wenig, wie vorher schon die großgestigen Momente bei Händel, einer gewissen déformation professionelle, einer Art von großgestigem Pianismus, der dem letzten Gelingen des Ganzen etwas den Atem nahm; die Künstlerin ließ sich von diesem Momentum zu Ungunsten des sonst so gefassten Klangs mitreißen, was auch der Komplexität der Fuge nicht zugute kam, im Ganzen aber doch überstrahlt von der intimen Gesanglichkeit ihres Spiels.

Nach der Pause folgte der „Faschingsschwank aus Wien“ von Robert Schumann. Die Musik von Schumann ist technisch immens herausfordernd und der musikalische Zugang zu ihr manchmal sperrig, doch straft er jene in Wien Ansässigen Lügen, die immer noch dem Wahn erlegen sind, dass die größte Musik ausschließlich in Wien entstanden sei (ja, es gibt sie noch, diese Ansässigen, und wir verstehen uns untereinander ganz wunderbar). Das Werk und seine Aufführung bildete den künstlerischen Höhepunkt des Abends. Martina Filjak war hier ganz und gar in ihrem Element. Das Werk fordert pianistisch alles, ist ungeheuer komplex und kann nur mit entsprechendem Zugriff, großer Kraft und bei gleichzeitiger pianistischer Sensibilität, einer wirklichen Fähigkeit zur Gesanglichkeit bewältigt werden. Über alle diese Qualitäten verfügt die Pianistin auf höchstem Niveau, und das Publikum hörte und staunte.

Nach diesem Werk flachte die Kurve insofern ab, als sich die folgenden Werke von Skrjabin und Liszt beim besten Willen künstlerisch nicht auf der Schumann’schen Höhe befinden. Martina Filjak erläuterte die Entstehung des „Präludium und Nocturne“ von Skrjabin, einem Werk, das der Jüngling (op. 9) unter dem Eindruck des angstvollen Schreckens über eine Sehnenscheidenentzündung der rechten Hand für Klavier linke Hand komponierte. Ein etwas sentimentales, hörbar zum Selbstmitleid neigendes Werk, das im Werden jedoch zu einigem Schwung und starker Eindringlichkeit wächst, wiederum von der Pianistin linker Hand mit einem solchen Können zum Leben erweckt, dass das Staunen über sie das Mitleid für das Selbstmitleid des Komponisten bei weitem überlagerte. Liszt’s „Réminscences de Lucia Lammermoor“ sind dann ein virtuoses, salonhaftes Gewerke, das als wiederum souverän-phantastisch gespielte Zugabe durchging, jedoch seine beim Komponisten so oft zu ertragende Leere nicht verheimlichen konnte. Abermals reifte die Erkenntnis, dass Schumann eben doch der bessere Liszt ist.

Ein kleines Wunder folgte mit der Zugabe, denn Martina Filjak, ausdrücklich dankbar für das Format der Konzertreihe, den schönen und akustisch sehr angenehmen Saal, den hervorragenden Bösendorfer-Flügel (das darf erwähnt werden, obwohl der Rezensent dafür kein Geld von Bösendorfer erhält), der die klanglichen Facetten, zu denen die Pianistin bei diesem vielfältigen Repertoire fähig war, ermöglichte, sowie das im Hören gebannte geneigte Publikum, das von der Pianistin im Handumdrehen zum Fachpublikum gemacht wurde, gab und schenkte uns Arvo Pärt’s „Für Alina“. Der Pianistin abermals erstaunliche Fähigkeit zum gesanglichen Spiel, zum Klingenlassen an der Grenze zur Hörbarkeit, siegte im leisesten pianissimo über den parallel wahrnehmbaren Lärm eines zufällig auf der Straße vor dem Saal haltenden Autos, aus dessen Boxen Bässe sinnlos wummerten, die es jedoch, wie damals das abgedrehte Licht, nicht schafften, diese Gegenwart zu stören.

[Jacques W. Gebest, April 2024]

Kleines Beethoven-Vademecum (4): Beth Levin und Beethovens Tempo

Aldilà Records, ARCD 011; EAN: 9 003643 980112

Was ist ein richtiges Tempo? Eine erschöpfende Antwort auf diese Frage zu geben, über die im Laufe der Zeit eine gewiss nicht geringe Zahl Musiker und Hörer nachgedacht hat, soll im Folgenden nicht versucht werden. An dieser Stelle wollen wir uns darauf beschränken, die Sinne zu schärfen. Als Gegenstand der Betrachtung wähle ich eine einzelne Aufnahme, die mir besonders gut geeignet erscheint, ein Gespür für die Problematik des richtigen Tempos zu entwickeln: 2019 spielte Beth Levin in Baltimore Ludwig van Beethovens Große Sonate für das Hammerklavier B-Dur op. 106. Der Mitschnitt des Konzerts, in welchem die Pianistin neben Beethovens Werk auch Georg Friedrich Händels Suite d-Moll HWV 428 und Anders Eliassons Carosello (Nr. 3 der Stücke, die der schwedische Meister unter dem Gattungstitel „Disegno“ zusammenfasste) zu Gehör brachte, erschien rechtzeitig zum 250. Geburtstag Beethovens 2020 unter dem Titel Hammerklavier Live bei Aldilà Records.

Bekanntlich versah Beethoven den ersten Satz der Großen B-Dur-Sonate mit der Metronomisierung Halbe = 138, und ebenso bekanntlich haben nur wenige Pianisten den Versuch unternommen, den Satz in dieser Geschwindigkeit zu spielen. Arthur Schnabel, Walter Gieseking und Michael Korstick kamen dabei am nächsten an das von Beethoven notierte Tempo heran. Aber sie blieben Ausnahmen. Die meisten anderen wählten ein mäßigeres Zeitmaß. Der Aussage Hermann Kellers, dass „nach [Beethovens Metronomisierung] der erste Satz in einem so unsinnig schnellen Tempo zu spielen wäre, daß dieses Tempo nicht nur kaum ein Spieler erreichen kann, sondern daß dadurch auch der musikalische Inhalt des Satzes völlig zerstört werden würde“ (Hermann Keller: „Die Hammerklavier-Sonate“, Neue Zeitschrift für Musik 1958), hat die Mehrheit der Pianisten vielleicht nicht verbal, wohl aber in der musikalischen Praxis zugestimmt. Da sich das Problem der Realisierbarkeit der Metronomangaben Beethovens auch in anderen Fällen einstellt, wurde oft vermutet, er habe ein defektes Metronom besessen. Auch erscheint es möglich, er habe das Metronom schlicht falsch abgelesen (wie Almudena Martín Castro und Iñaki Úcar Marqués in einer Studie plausibel gemacht haben). Es verhalte sich mit dem Metronom wie es wolle; interessanter dürfte sein, dass Schnabel, Gieseking und Korstick das Ritardando, das Beethoven im achten Takt des Satzes vorschreibt, bereits im vorangehenden Takt vorbereiten, sie mithin also alle empfinden, die Verlangsamung solle nicht plötzlich erst da stattfinden, wo sie tatsächlich laut Notation verlangt wird. Darin bloß eine körperliche Entspannungsreaktion auf die im „korrekten“ Tempo vorgetragenen, vollgriffigen Anfangstakte zu sehen, wäre zu kurz gedacht, schließlich zeigt sich das gleiche Phänomen auch bei Pianisten, die deutlich langsamer spielen (etwa bei Daniel Barenboim, der den Satz in rund 12 ½ Minuten, einschließlich Expositionswiederholung, darbietet). Die Notwendigkeit einer allmählichen Verlangsamung stellt sich bei den Musikern gleichsam von selbst ein. Warum ist das so? Betrachten wir die Takte 7 und 8, so bemerken wir, dass die Musik hier auf eine Dominantharmonie zusteuert und auf dieser kurz inne hält (Fermate). Die Bewegung hin zu dieser Dominante zeichnet sich in Takt 7 bereits deutlich ab. Harmonisch bringt der Takt 8 zu Ende, was sich im Takt 7 (und den vorangehenden Takten) angedeutet hat. Die Pianisten empfinden diesen Zusammenhang und setzen ihn um in Form eines Ritardandos, das an Länge das vom Komponisten vorgeschriebene übertrifft.

Damit ist die Frage aufgeworfen, was sich eigentlich in Notenschrift festhalten lässt. Will Beethoven, dass im Takt 8 des Allegros von op. 106 ein Ritardando gemacht wird, oder will er, dass nur an dieser Stelle ein Ritardando gemacht wird? Spielen die Pianisten richtig, wenn sie bereits in Takt 7 leicht und dann in Takt 8 deutlich verlangsamen, oder spielen sie richtig, wenn Takt 7 im raschen Tempo des Anfangs gespielt und erst in Takt 8 verlangsamt wird? Und wie stark soll das Ritardando in Takt 8 sein? Dazu steht in den Noten nichts. Außer den Ritardandi und den ihnen folgenden A-Tempo-Vorschriften enthält der Satz keine weiteren Angaben zur Gestaltung der Zeitmaße. Damit scheint die Frage geklärt, welches Tempo als das Maßgebliche für den ganzen Satz anzusehen ist, nämlich offiziell Halbe = 138. Aber ist dieser Schluss zwingend?

Sehen wir uns ein Stück aus späterer Zeit an: Die Vierte Symphonie von Jean Sibelius, ein Werk, das einer Epoche entstammt, die zu Tempi und Vortrag stärker differenzierte Angaben anzubringen pflegte als dies zu Beethovens Zeit üblich war. Berühmt ist die Coda des Finalsatzes dieser Symphonie, in der ein Zerfallsprozess auskomponiert wird. Metronomangaben enthält die Partitur nicht, für den ganzen Finalsatz gilt (wie für Beethovens Sonatenkopfsatz) eine einzige Tempovorschrift: „Allegro“. Soll die Coda also gleich schnell gespielt werden wie der Satzanfang? „Nein“, sagt – Jean Sibelius! Nachträglich wiederholt um Metronomangaben gebeten, schrieb der Komponist zu verschiedenen Zeiten unterschiedliche Zahlen auf. Die Coda des Finales bezeichnete er mit einer vom Rest des Satzes abweichenden Metronomisierung. Wer nur die Partitur kennt, kann das nicht wissen. Es entzieht sich meiner Kenntnis, wie viele Dirigenten um Sibelius‘ Metronomisierungen wussten. Es findet sich aber kaum einer, der am Ende der Vierten Symphonie das Tempo nicht wenigstens minimal verlangsamt.

Interessant erscheinen in diesem Zusammenhang auch die unterschiedlichen Auffassungen der Dirigenten vom Schluss des Kopfsatzes der Achten Symphonie Anton Bruckners (zweite Fassung). Bruckner selbst beschrieb ihn als Sterbeszene: Es sei, als wenn einer einer im Sterben liege, und gegenüber hänge die Uhr, die, während sein Leben zu Ende gehe, immer gleichmäßig fortschlage. Es ist wiederholt darauf aufmerksam gemacht worden, dass eine Uhr kein Ritardando mache. In dieser unerbittlichen Gleichmäßigkeit bringen beispielsweise Hans Rosbaud und Jascha Horenstein den Satz zum Abschluss. Hat dann Wilhelm Furtwängler Unrecht, wenn er diese Takte als lang gezogene allmähliche Verlangsamung spielen lässt, oder Sergiu Celibidache, wenn er das Gleichmaß bis kurz vor Schluss durchhält und beim letzten Erklingen des Motivs ein Ritardando anbringt? Muss ein Dirigent, weil der Komponist selbst die Musik so beschrieb, sich verpflichtet fühlen, das Bild von der tickenden Uhr umzusetzen? Man sollte auch bedenken, dass Bruckners Worte aus einem Brief an den jungen Felix Weingartner stammen, den er um eine Aufführung des Werkes bat, und der damals noch ein leidenschaftlicher Anhänger der Programmmusik war. Ein echtes Programm hat Bruckner seiner Symphonie nie beigelegt.

Aber kehren wir zu Beethovens Sonate op. 106 zurück und widmen uns der Einspielung Beth Levins! Ihre Aufführung des Werkes kann man ohne zu untertreiben eine besondere nennen – ich möchte sagen: eine besonders mutige. Die Pianistin vermeidet nämlich metronomisch normierte Tempi und absolut festgelegte Geschwindigkeiten, was vor allem im Kopfsatz zu mitunter sehr starken Temposchwankungen führt. Beethovens Vorgabe „Allegro“ scheint sie aufzufassen als: „ein Stück im Allegro-Charakter“, offensichtlich bedeutet sie ihr nicht, dass ein einzelnes Tempo über den ganzen Satz hinweg durchgehalten werden muss. Würde Levins Aufnahme sich durch nichts anderes als ständige Tempowechsel aus der Masse der Einspielungen herausheben, so wäre sie nicht weiter interessant, ja man würde sie vielleicht als Dokument selbstherrlicher Interpretenwillkür wahrnehmen. Aber das ist sie gerade nicht! Levins Tempi sind keineswegs willkürlich gewählt, sondern lassen sich durchweg aus dem Verlauf der Musik heraus legitimieren. Wir haben oben anhand der Aufnahmen Schnabels, Giesekings und Korsticks feststellen können, dass auch Pianisten, die nach metronomischer Genauigkeit streben, ihr Tempo vorübergehend abwandeln, weil die harmonische Beschaffenheit der Musik ihnen dies als angemessen erscheinen lässt. Beth Levins Tempowahl speist sich aus keiner anderen Quelle. Sie orientiert sich an den tonalen Schwerpunkten der Musik. Die einzelnen Phrasen lässt sie sich auf ein temporäres harmonisches Ziel hin entfalten bzw. von einem Ausgangspunkt weg. Die Geschwindigkeit ergibt sich dabei aus der jeweiligen Situation heraus. So, wie sie unter Levins Händen zu hören sind, haben bestimmte Geschehnisse von der Pianistin eine Beschleunigung oder Verlangsamung des Tempos geradezu gefordert, um besonders deutlich in ihrer Eigenart wie in ihrer Funktion im Zusammenhang des Ganzen erfassbar zu werden. Sei es das Ansteuern eines harmonischen Zentrums oder das Wegstreben von ihm, eine Veränderung in der Beschaffenheit des Tonsatzes, die Darstellung der Wechselwirkung polyphoner Linien: Immer besteht für Beth Levin ein triftiger Grund, das Zeitmaß so zu gestalten, wie sie es tut.

Anhand der ersten Takte des Kopfsatzes soll nun verdeutlicht werden, wie Levin im einzelnen vorgeht. Die akkordisch gesetzten ersten vier Takte nimmt sie nicht sehr schnell, aber vergleichsweise rasch. Dem erstmaligen Durchschreiten harmonischer Zwischenstufen in den nächsten vier Takten widmet sie mehr Zeit, betont die Sequenz, achtet auf die gleichmäßige Viertelbewegung im Bass, und wird, wie ausdrücklich in der Partitur gefordert, noch einmal langsamer, wenn sich die Musik kurz auf der Dominante niederlässt. Wenn die Musik von Takt 5 in Takt 9 eine Oktave höher noch einmal ansetzt, geschieht dies wieder Tempo von Takt 5. Ab Takt 12, wo die eintaktigen Phrasen sich zu zweitaktigen weiten, spielt Levin etwas rascher. Das damit verbundene Crescendo lässt sie vorrangig in der absteigenden Basslinie stattfinden, dadurch deren Sonderstellung gegenüber den anderen Stimmen betonend. Das Periodenende wird mit einem kleinen Ritardando markiert. Die in Takt 17 mit dem Wiedereintritt der Tonika beginnende neue Periode bewegt sich anders als die vorigen. In der rechten Hand wechselt je ein Takt in Halben mit einem in Vierteln (mit verschiedener Begleitung in der linken Hand). Levin hebt dies hervor, indem sie die Takte in Halben geringfügig langsamer nimmt als die Takte in Vierteln; somit ergibt sich von selbst eine Beschleunigung, wenn sich in Takt 25 die Viertel-Bewegung durchsetzt. Ist diese Steigerung in Takt 27 auf ihrem melodischen Höhepunkt angelangt, so beschleunigt Levin noch etwas, wenn die Musik nun in die Tiefe stürzt um ab Takt 31, wenn sie, auf der Domiante angelangt, ohne Harmoniewechsel wieder in die Höhe steigt und dabei leiser wird, deutlich langsamer zu werden. Man könnte, so weitermachend, jede Seite der Partitur mit der Aufnahme abgleichen und fände die Tempowahl der Pianistin stets in der musikalischen Struktur begründet. Das feine Herausarbeiten der Einzelheiten, oft in Verbindung mit verbreitertem Tempo, und der dabei durchweg gewahrte Überblick Beth Levins über den Fortgang der Handlung lassen die ungeheuren Spannkräfte der Musik erst recht hervortreten. Zu jedem Augenblick möchte man sagen: „Verweile doch, Du bist so schön!“, und doch herrscht faustischer Vorwärtsdrang. Selten hört man das Ringen zwischen Rubato und Momentum in einer solchen Deutlichkeit wie hier!

Über die Proportionen des Werkes in Levins Aufnahme mögen hier noch die Spieldauern der einzelnen Sätze Auskunft geben:

Allegro: 12:04 (ohne Expositionswiederholung)

Scherzo: 03:11

Adagio: 17:10

Finale: 14:11

Beth Levins Album Hammerklavier Live ist übrigens nicht nur wegen Beethovens op. 106 empfehlenswert. Auch die Werke der anderen beiden Großmeister laden, abgesehen davon, dass sie größtes Hörvergnügen bereiten, dazu ein, über die Wiedergabe von Musik nachzudenken. Wie geht man damit um, dass Händel seine Klavierwerke nur äußerst spärlich mit Vortragsbezeichnungen versehen hat? – Eliassons Carosello aus dem Jahr 2005 wird weitgehend von einer Drei-Achtel-Bewegung getragen. Die Harmonik prägt klare tonale Zentrierungen aus, ohne dass je sich eine Tonika eindeutig durchsetzt. Beth Levin gibt der Darstellung dieser harmonischen Schwebezustände den Vorzug vor einer konsequenten Umsetzung mechanischer Karussellrotation. Man hört sozusagen ein imaginäres, unwirkliches, erträumtes Karussell, dessen Reiz gerade darin besteht, dass es sich gar nicht gleichmäßig drehen will. Übersteigt hier nicht die Kunst den Trott der profanen Welt? Und gilt nicht letztlich für Levins Beethoven-Darbietung das Gleiche?

[Norbert Florian Schuck, Dezember 2021]

Beethoven des Jahres

Aldilà Records, ARCD 011; EAN: 9 003643 980112

Beth Levin spiele am 29. Juni 2019 ein denkwürdiges Konzert, welches aufgenommen wurde und nun bei Aldilà Records als CD erschien. Auf dem Programm dieser live-CD steht die Dritte Suite für Clavier in d-Moll HWV 428 von Georg Friedrich Händel, Carosello (Disegno Nr. 3) von Anders Eliasson und die Klaviersonate op. 106 in B-Dur von Ludwig van Beethoven, welche als Hammerklaviersonate Geschichte schrieb.

Zugegeben, das Beethovenjahr 2020 war recht enttäuschend. Wo Konzerte fehlen, mangelte es nicht an Aufnahmen vor allem im Bereich der Klaviermusik. Einige wagten sich an Gesamtzyklen, die wie so meist nur selten vollständig befriedigen; andere spielten kleinere Auswahlen, die aber doch meist aus den altbekannten Werken bestehen. Es gab zwar unter den Aufnahmen viel Gutes, nicht aber wirklich Neues, was unseren Blick auf den Jubilar nachhaltig prägen würde. Man blieb bei den Konventionen, beim Bewährten, und nahm es nicht auf sich, über den Tellerrand hinauszublicken. Die große Ausnahme stellt die CD mit Beth Levin dar, welche die Hammerklaviersonate B-Dur op. 106 in einer Liveaufnahme präsentiert.

Ein Werk wie die Hammerklaviersonate in unserer heutigen Zeit als Liveaufnahme herausgeben zu wollen, wirkt beinahe wie Irrsinn. Denn wie soll man dieses Mammutwerk mit einer Länge von etwa 45 Minuten und gespickt mit technischen wie musikalischen Hürden durchgehend auf reproduktionswürdigem Niveau bewältigen? – Oder sollten wir es umgekehrt sehen: Muss man es sogar auf eben diese Weise aus einem Guss entstehen lassen, um Geschlossenheit zu erreichen und gesamtmusikalischen Sinn zu entfalten?

Beth Levin zeigt sich vom ersten Ton an als eine der eigenständigsten, temperamentvollsten und souveränsten Pianistinnen unserer Zeit. Sie hat eine eigene Stimme am Klavier und bleibt stets sie selbst, so kann man sie beim Hören unmittelbar identifizieren – und dies ist heute mehr als außergewöhnlich. Levin durchdringt die Musik intellektuell wie menschlich, fokussiert sich dabei auf die Einmaligkeit der Darbietung und des Erlebens der Musik. Sie gibt die Musik nicht wieder als Nacherzählung oder als Berichterstattung, sondern – selbst vollständig involviert – als im Moment passierendes, unwiederbringbares, und auf diese Weise atemberaubendes Geschehen. Sofern es dabei nötig ist, greift sie in den Notentext ein; doch ist keine der Abänderungen willkürlich, sondern dient nur der Stimmigkeit und Gesamtheit der Darbietung. Jede Note sprüht vor Innbrunst und Lebendigkeit, von persönlicher Aussage. Technik, Fingerfertigkeit und Virtuosität stehen dabei im Hintergrund, sind lediglich nötige (wenngleich perfekt gelenkte) Transportmittel für den Ausdruck.

Auf ein impulsives Werk wie die Hammerklaviersonate projiziert, offenbaren sich ganz neue Facetten und Aspekte dieses Meisterwerks, die sich einer Beschreibung entziehen und nur hörbar verstanden werden können. Unvorstellbare Magie verströmt vor allem der Adagiosatz, in dem wir teilweise vollständig das Gefühl von Zeit und Raum wie den Boden unter unseren Füßen verlieren und nur getragen werden durch den fragilen Duktus der Musik. „Verweile doch, du bist so schön“, Mephisto hätte Faust nur diesen Satz vorzuspielen brauchen – doch schon ist die Musik fortprozessiert und der Moment vergangen, was hier wie kaum woanders für eine gewisse mitschwingende Melancholie verantwortlich ist.

Nicht weniger nehmen die raschen Sätze gefangen. Die Randsätze packen durch impulsive Akzente, wild aufbäumende und doch im Zaum gehaltene Klangkaskaden und herbe Kontraste, die Beth Levin fein austariert und bis an die Grenzen spannt, nie jedoch darüber hinaus. Fast zu kurz erscheint dagegen das kleine Scherzo, doch eben in der Flüchtigkeit liegt der Witz und Beth Levin triumphiert über diese Wirkung des allzu Vergänglichen.

Komplettiert wird das Programm durch zwei konträre Werke anderer Epochen: Händels d-Moll-Suite und Eliassons Disegno Nr. 3 mit dem Titel „Carosello“. Die d-Moll-Suite wirkt ganz schlicht, klar und offen, Levin spielt die Musik des unterrepräsentierten Bach-Zeitgenossen in tiefster Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit. Weit weniger stürmisch als bei Beethoven zaubert sie so einen gänzlich anderen Glanz auf die für das Cembalo konzipierte Musik, sonor und doch zerbrechlich in ihrer Zartheit. Bei Eliasson zeigt Beth Levin unerhörtes Gespür für Harmonik: der 2013 verstorbene schwedische Komponist schuf ein ganz eigenes Tonalitätsmodell, undurchdringbar komplex und nicht intellektuell zu verstehen – wohl aber musikalisch zu durchdringen, wie hier bewiesen wird. Und tatsächlich wird die Partitur beim Hören plötzlich verständlich und wie ganz selbstverständlich folgen wir dem Lauf der harmonischen Strukturen. Mit vollendet verfeinertem Anschlag holt Beth Levin auch die dezentesten Zwischentöne aus den Tasten hervor, farbenreich und vielseitig. Die Gesamtheit des Stücks hat sie stets im Sinn und so geleitet sie uns sicher durch die vielen Verstrickungen jedes dieser Stücke, so dass wir sie hinreißend in Gänze erleben.

[Oliver Fraenzke, Januar 2021]

Musik – zeitlos

Baroque Masterpieces

Artis Gitarrenduo (Julia und Christian Zielinski); Musik von Georg Friedrich Händel (1685-1759), Francois Couperin (1668-1733), Sylvius Leopold Weiss (1687-1750), Johann Sebastian Bach (1685-1750), Antonio Vivaldi (1678-1741)

Naxos 8551420; EAN: 73009914203

Seit dem internationalen Aufstieg des Naxos-Labels haben Gitarren-CDs schon immer eine große Rolle im Repertoire gespielt. Mal gelungener, mal misslungener, denn bei der klassischen Gitarre scheiden sich die Geister. Seit Julian Bream dieses Instrument zu einem vollwertigen „Musik-Vermittler“ gemacht hat, ist es ein Liebling für alle und jeden geworden, sei es in der Klassik, sei es im Jazz oder in der Pop-Musik. Was der klassischen Gitarre nicht immer gut bekommen ist, wie man an vielen CDs sehen resp. hören kann. Denn was bei der Geige oder mehr noch bei der Flöte selbstverständlich ist, nämlich die mitvollziehbare Gestaltung der Melodie, ist bei der Gitarre für viele Spielerinnen und Spieler unerreichbar, weil äusserst schwierig zu verwirklichen, was einerseits in der leichten Handhabung und andererseits in der absolut schwierigen Verfügbarkeit wurzelt.

Soweit erst einmal die Vorrede…!

Nun ist bei Naxos eine CD erschienen, die all’ diese Schwierigkeiten sich in Luft bzw. eben in Musik auflösen lässt. Was Julia und Christian Zielinski da nämlich mit ihren zwei Gitarren erleben lassen, habe ich seit dem berühmten Duo Julian Bream/John Williams nicht mehr gehört: Musik vom Feinsten, gespielt mit allem, was dazu gehört. Vom ersten bis zum letzten Ton ein hinreißender, dergestalt auch selten gehörter wunderbarer Klang, wie ihn eben nur zwei – nicht eine – Gitarren zusammen hervorbringen können. Dazu eine Agogik, die den Melodien und ihren Harmonien alle Freiräume geben, die gerade die Barockmusik so nötig hat, soll sie nicht nähmaschinenhaft – wie so oft – abschnurren. Dass die beiden auf ihren Gitarren wirklich „singen“, was bei ach so vielen „Klassikern“ leider nie zu hören ist, hebt diese Scheibe aus dem globalen Gitarrenpool himmelhoch heraus.

Besonders gelungen sind dabei die Stücke, wo die beiden ihre ganze Innigkeit ausspielen, also die langsamen Sätze, die oft berückend schön und berührend geraten. Kommt dann die Geschwindigkeit ins  Spiel, zeigen sie natürlich ebenso ihre stupende Virtuosität. Allerdings ist das dann eben auch der Punkt, der mich als einziger stört: Dann geht darüber die strukturelle und musikalische Feinheit ein wenig den Bach runter. Nicht unzutreffend sagte einst ein Gitarrist, dem immer wieder dieser Satz eines Kritikers einfiel: „Die Gitarristen mögen sich doch bitte nicht so anstrengen, ein Maschinengewehr ist doch immer noch viel, viel schneller!“

Fazit: Endlich mal wieder eine Gitarren-CD, die Musik in sich hat. (Was man von der zeitgleich erschienenen Naxos-CD „ Beethoven on Guitar“ übrigens nicht sagen kann!)

[Ulrich Hermann, September 2019]

Karl Richter – die Legende lebt weiter

Profil Edition Günter Haenssler 31 CDs PH 16010; EAN: 881488160109

Karl Richter spielt und dirigiert
Schütz: Musikalische Exequien; A. Scarlatti: Su le sponde del Tebro (Stader); J. S. Bach: Brandenburgische Konzerte Nr. 1-6, Orchestersuiten Nr. 1-4, Musikalisches Opfer, 4 Cembalokonzerte, Orgelwerke BWV 565, 639, 582, 645, 542, 650, 606, 538 und 548, Sonaten für Flöte und Cembalo BWV 1030 und 1031, Goldberg-Variationen, Partiten Nr. 1-6 für Cembalo, Magnificat, Matthäus-Passion, Messe h-moll, Weihnachts-Oratorium, Kantaten BWV 78, 67, 108, 127, 79, 4, 45, 51, 8, 55 und 147; G. F. Händel: 12 Orgelkonzerte opp. 4 & 7, 5. Cembalo-Suite, Chaconne G-Dur für Cembalo, Arien aus Xerxes, Giulio Cesare und Samson (Haefliger), Arien aus Messias und Josua (Stader); C. P. E. Bach: Sonate g-moll für Flöte und Cembalo; Gluck: Reigen der seligen Geister aus Orfeo ed Euridice; Haydn: Symphonien Nr. 94 und 101, FlötenkonzertD-Dur, Arien aus ‚Die Schöpfung’ und ‚Die Jahreszeiten’ (Stader); Mozart: Requiem, Flötenkonzerte KV 313 & 314, Andante für Flöte und Orchester KV 315, Konzert für Flöte und Harfe KV 299; Mendelssohn: ‚Höre, Israel’ aus ‚Elias’ (Stader)

Der Plauener Karl Richter (1926-81), in Leipzig Schüler von Karl Straube und Günther Ramin und damit Erbe der großen deutschen Bach- und Orgeltradition, wurde bald nach seinem Amtsantritt an der Münchner Markus-Kirche zum vergötterten Bach-Exegeten in der bayerischen Landeshauptstadt. Sein Tod nach einem Herzanfall hinterließ eine trauernde Gemeinde, die lange brauchen sollte, um wieder in andere Bach-Gralshüter einigermaßen vertrauen zu können. Bis heute konnte sein Verlust in München nicht ersetzt werden. Richter was bekannt als kräftig dem Alkohol zusprechender Mann, der seine Gesundheit nicht schonte. Als Musiker schöpfte er stets aus dem Vollen, was ihm posthum den Ruf eintrug, Bach „hoffnungslos romantisiert“ zu haben. Diese üble Nachrede kann nach dem Hören der vorliegenden Anthologie nicht bestätigt werden. Vielmehr wird er hier als natürlicher, leidenschaftlicher Musikant erlebbar, dem spätere ‚Bachisten’ des süddeutschen Raums wie Helmuth Rilling nicht annähernd das Wasser reichen konnten. Richter ging vollkommen in den Partituren auf, auch wenn es übertrieben wäre, ihn als Meister der Verfeinerung der Phrasierung und Transparenz zu bezeichnen. Nein, er war vor allem ein Emphatiker, mit einer Neigung zum Pathetischen, das er mit einer sachlich musikantisch geschulten Ader im Zaum hielt. Als Instrumentalist erscheint er mir insbesondere an der Orgel bedeutend, sowohl in den Bach’schen Solowerken (man höre die c-moll-Passacaglia, die mit gravitätischem Momentum hypnotisiert) als in den Orgelkonzerten Händels, wo wir ihm die vielleicht bis heute glänzendste, würdevollste Gesamteinspielung verdanken. Da konnte er sich anscheinend noch bedingungsloser in die Musik versenken als wenn er am Pult stand. Die Brandenburgischen Konzerte und Orchester-Suiten Bachs sind durchwachsener in der Qualität und manchmal etwas schwerfällig, aber stets blutvoll und glutvoll. In den Cembalokonzerten Bachs muss ich gestehen, dass es einige wunderbare Aufnahmen mit modernem Klavier gibt (vor allem Murray Perahia), die diese rein klanglich authentischere Ausführungsweise nun doch sehr monochrom und gleichförmig erscheinen lassen.

Eine ganz besondere Freude ist es (und ich weise den Vorwurf prophylaktisch ab, dass es sich hier um meinen Landsmann handelt…), den großen Flötisten Aurèle Nicolet wieder zu hören, mit seiner fast etwas nervösen, jedenfalls alles andere als glatten Tongebung und von Leben durchpulsten Phrasierung und Artikulation: in den Flötenkonzerten und dem Doppelkonzert mit Harfe von Mozart, in Haydns D-Dur-Konzert und Glucks idylischem ‚Reigen der seligen Geister’, im Duo mit Richter in Sonaten von Bach Vater und Sohn, im Musikalischen Opfer – da lebt ein feinnerviger Geist wieder auf, wie ihn dieses doch so viel gespielte Instrument nicht wieder erleben durfte. Zeitlos bezaubernd!

Richter ist hier als Dirigent ein besonnener, diskreter, aber auch durchaus kraftvoller, weniger jedoch subtiler Begleiter. Auch seine Haydn-Symphonien sind absolut in Ordnung, echt und mit Wärme, ohne Extravaganzen, aber auch etwas füllig und schwer. Jedoch kennen wir aus jener Zeit viel schwerfälligere und innerlich unbeteiligtere Darbietungen, und „romantischere“ sowieso. Eine ganz besondere Freude ist es, die wunderbare oratorische Sopranistin Maria Stader zu hören, die damals die große Favoritin vieler Dirigenten war – sowohl mit geistlichen Arien von Alessando Scarlatti, Händel, Haydn und Mendelssohn als auch in Mozarts Requiem und der h-moll-Messe und Kantaten Bachs. Eine pure, sternenklare Stimme, unprätentiös und gradlinig schön. Viele weitere übliche Verdächtige jener Epoche tauchen auf: die Sänger Ernst Haefliger, Irmgard Seefried, Hertha Töpper, Dietrich Fischer-Dieskau, Peter Pears, Gerd Lutze, Antonia Fahberg, Kieth Engen, Max Proebstl usw., die Geiger Otto Büchner, Friedrich Wührer und Fritz Sonnleitner, der Flötist Paul Meisen, der Obosit Edgar Shann, die Trompeter Adolf Scherbaum und Georg Donderer, die Harfenistin Rose Stein und die Organistin Hedwig Bilgram, und viele weitere. Auch der Heinrich-Schütz-Kreis, den Richter ab 1951 leitete, ist zu hören mit Schütz’ deutscher Totenmesse ‚Musikalische Exequien’, mit welcher Sergiu Celibidache viereinhalb Jahre nach Karl Richters Tod die ungeliebte Münchner Philharmonie am Gasteig höchst unorthodox einweihen sollte . damit nun kann man Richters Schütz gar nicht vergleichen, gegenüber solcher Transzendenz bleibt es so hausbacken, wie es auch sonst üblich ist. Bleiben die großen Bach-Werke: Messe h-moll, Matthäus-Passion, Weihnachts-Oratorium – und hier kann jeder eintauchen in die Welt, die vor einem halben Jahrhundert Gegenwart und für viele Konzertgänger das Höchste war: eine erhebende, erhabene Angelegenheit, nicht allzu differenziert, aber leidenschaftlich und zugleich mit einer gewissen Nüchternheit vorgetragen, immer intensiv und aus dem Vollen geschöpft.

Die einzige betrübliche Sache ist das Booklet der vorliegenden 31-CD-Box. Nicht nur, dass es spartanischer eigentlich nicht geht und ich mich frage, ob man wirklich so schwäbisch sparen musste – vor allem enttäuscht die Lieblosigkeit der Redaktion, die so viele grobe Fehler und Lücken entstehen ließ. So ist die Solistin in Mozarts Doppelkonzert nicht erwähnt (Rose Stein an der Harfe), und es fehlen die Solistennamen in den Brandenburgischen Konzerten (u. a. Meisen, Scherbaum, Wührer und Richter selbst) und sogar in der h-moll-Messe (Stader, Töpper, Fischer-Dieskau und Engen). Auch sind die Aufnahmen nicht datiert, dass man – wüsste man es nicht besser – fast glauben könnte, es handele sich um eine Raubpressung. Immerhin, der kundige Text über Richter (der einzige Text im Beiheft) von Lothar Brandt bessert den Gesamteindruck dann doch noch etwas auf. Mehr Respekt vor der Lebensleistung eines solchen Mannes hätte den Produzenten wohl angestanden. Der Hörer kann sich jedoch auch so erlaben, sollte aber meine Rezension lesen, um zu wissen, wer da singt und spielt, wo nichts vermerkt ist… Die Legende Karl Richter lebt all dessen ungeachtet weiter.

[Lucien-Efflam Queyras de Flonzaley, Januar 2017]

Zwischen Kirche und Club

GP ARTS 201; EAN: 4 260213 912019

Arrangements von Dietrich Buxtehudes Präludium in g BuxWV 149, Georg Friedrich Händels Oboensonate c-Moll HWV 366 und Franz Tunders „An Wasserflüssen Babylon“ für Sopransaxophon, Orgel und Live Electronics finden sich neben vier eigenen Werken (teils ebenfalls mit entliehenem Material der Barockzeit) auf der CD buxtehude_21 On The Bridge von Bernd Ruf und Franz Danksagmüller.

Die Faszination der Barockmusik mit neuen Mitteln zu aktualisieren und in der Jetztzeit wirksam zu machen ist das Ziel des Projekts danksagmüller_ruf. Durch vielseitige Arrangements von Buxtehude, Händel und Tunder realisierte das Duo seinen Plan auf der CD buxtehude_21 On The Bridge.

Und tatsächlich schlagen die beiden Musiker eine Brücke zwischen alt und neu, quasi zwischen Kirche und Club – denn es passt in beides, oder doch in keines der beiden? Alleine die Besetzung verwundert: Eines der altehrwürdigsten Instrumente, die Orgel, neben ein Instrument des zwanzigsten Jahrhunderts, das (Sopran-)Saxophon, zu stellen und darüber hinaus mit Live Electronics anzureichern, ist ein recht gewagtes Unterfangen. Dabei reichen die Arrangements von exakt notengetreuer Wiedergabe bis hin zur relativen Unkenntlichkeit der originalen Sätze oder Passagen. Manches wirkt improvisiert, anderes aufwändig „rekomponiert“, die Übergänge zwischen dem einen und dem anderen sind fließend. Das Sopransaxophon übernimmt meist die Solostimme oder eine zentrale Stimme im polyphonen Satz, umspielt aber auch gerne frei die Orgelpartie.

Das klangliche Resultat besitzt eine große Eigenständigkeit, mag sich in keine Schublade so wirklich einordnen lassen. Die barockzeitliche Grundlage bleibt stets erhalten und doch gibt es sogar in den tongetreu gespielten Passagen durch die Besetzung und leichtes Hineinschleifen in die Töne durch das Sopransaxophon eine etwas jazzähnliche Atmosphäre. Manches mutet gar an, als könnte es auf einem „Rave“ mit experimenteller elektronischer Musik erklingen. Die Kirchenakustik von St. Jakobi Lübeck sorgt dabei für eine hallige und großräumige Atmosphäre, die auch auf mittelmäßigen Anlagen durchhörbar bleibt und Platz schafft, der mit dimensionsöffnenden Klängen gefüllt wird.

Bernd Ruf und Franz Danksagmüller offerieren musikalisch feinsinnigen Umgang auf ihren Instrumenten, reflektierte Phrasierung und eine außergewöhnliche Kreativität als Arrangeure und Komponisten. Lediglich die Eigenkomposition „Dow Jones – Danza Infernale“ mit der aufdringlichen Sprecherstimme mag nicht so recht zum Rest passen, sehr beschaulich hingegen „Lullaby for Anna Margaretha“. „BTB – BuxToccataBach“ ist eine herrliche Gegenüberstellung beziehungsweise Vermengung und bietet den strahlenden Abschluss eines spannenden Experiments, das uneingeschränkt empfohlen sei.

[Oliver Fraenzke, Dezember 2016]

Händel in absoluter orchestraler Vollendung

Georg Friedrich Händel
Orgelkonzerte Op. 7 Nr. 1-6, Fassung für Klavier und Streichorchester
Matthias Kirschnereit, Deutsche Kammerakademie Neuss, Lavard Skou Larsen
cpo 777855-2 (EAN: 761203785520)

Georg Friedrich Händels unsterbliche Orgelkonzerte auf das Klavier zu übertragen: eine wunderbare Idee, denn nicht nur gibt es dadurch endlich auch von ihm Klavierkonzerte, die mehr als attraktiv für den Solisten wie für den Hörer sind, sondern es ergibt sich dadurch die Gelegenheit einer tatsächlich musikalisch differenzierten Gestaltung hinsichtlich Dynamik und Nuancierung der Artikulation, die ungemein belebend wirkt und die Orgel musikalisch weit hinter sich lässt, sofern der Solist der Sache stilistisch gewachsen ist und die innermusikalischen Zusammenhänge tatsächlich erfasst.

Um es vorweg zu nehmen: auch mit dieser abschließenden Folge ist man der ‚Konkurrentin’ Ragna Schirmer in jeder Hinsicht weit voraus, zu nivelliert und eintönig war ihr nur klanglich experimenteller Zugang, der ja damals in einem etwas missglückten Crossover-Versuch ‚kulminierte’. Doch auch Matthias Kirschnereits Darbietung hat ihre Schwächen, wenngleich auf verfeinertem Niveau.

Die eigentliche Sensation dieser Einspielung ist das Orchester. Wohl niemand heute ist in der Lage, Händels Geist in solch emphatisch beschwingter und zugleich endlich mal wieder auch die tieferen Schichten der Musik erspürender Weise aufzuführen. Wie wunderbar bewusst alles artikuliert und wie gesanglich phrasiert das durchgehend ist, wie unwiderstehlich die Themen herausgeschält werden und die Begleitung eben nicht in den eingeebneten Routinemodus verfällt, der sich einstellt, wenn die Inspiration an der Oberfläche – also lediglich auf die offensichtlichen Hauptstimmen bezogen – bleibt. Keine Spur davon. Dieser Händel ist ein Fest ohnegleichen, er knüpft im besten, aufgeklärten Sinne an an die unvergänglichen Dokumente, die wir beispielsweise von Wilhelm Furtwängler oder den Adolf Busch Chamber Players besitzen. Er hat also das Zeug, vielleicht irgendwann als würdiges ‚Weltkulturerbe’ erkannt und gewürdigt zu werden. Ja, in Neuss dreht sich die Uhr der Musik weiter, während sie vielerorts, wo viel mehr mediale Aufmerksamkeit eingefordert wird, stagniert oder sich im Rädchen vermeintlicher Perfektion „zurückdreht“. Man kann eben aus dem vollen Musizieren, muss keine Puppenstuben-Niedlichkeiten oder dümmlichen Grobheiten begehen, um in der Musik jene Ursprünglichkeit, Kraft und Freude wiederzuentdecken, die sie potentiell stets in sich getragen hat. Ungehemmt, ja geradezu ungestüm gelegentlich, in den langsamen Sätzen mit Würde, Tiefe, Pracht und – ja! – Erhabenheit, und niemals ins Willkürliche, Altmodische, Sentimentale abgleitend. Stets schlank, leicht, beweglich und geschmeidig, und dabei in strahlender Fülle und mit jenem innerlichen Prunk geschmückt, wie ihn nur Händel hat, und der, versucht man ihn zu vermeiden, wie eine Amputation wirkt. Skou Larsen und seine hellwache Truppe bringen das singuläre Kunststück zustande, sowohl offenkundig historisch informiert als auch zeitlos im Ausdruck zu sein – das können nur paradoxe Charakterisierungen fassen: spannungsvoll und vollkommen losgelöst, den weit ausschwingenden Bogen mit fein ziselierter Detailkunst überhaupt erst organisch erstehen lassend, rundherum hochkultiviert und immer von entschiedenem Charakter. Solist Kirschnereit hat derart traumhafte Bedingungen für sein Agieren, das bei aller Liebe zum Detail, pianistischen Finesse und wendigen Lyrik die klare Orientierung vor allem hinsichtlich der größeren Entwicklungszüge vermissen lässt. Da er alle dynamischen Möglichkeiten des Klaviers hat, bräuchte es eben nicht jene verspielten Rubati, die fortwährend die durchgängige Kraft und Linie unterbrechen oder schwächen. Doch das Orchester fängt all diese Schlingereien jedes Mal in souveränster und hinreißend klar konturierter Weise auf. So ist es insgesamt doch eine großartige Sache.

Niemand heute vermag Händels Musik auch nur annähernd so reich und charakteristisch aufzuführen. Es wäre der große Wunsch des Rezensenten, dass sich Lavard Skou Larsen und die Deutsche Kammerakademie nun auch der 12 Concerti grossi op. 6 – und, wenn noch ein weiterer Wunsch drin wäre, auch der Concerti grossi von Arcangelo Corelli – annehmen. So gespielt, würde jeder Hörer damit einen Sechser ziehen, mit passender Zusatzzahl, und das ganz ohne Lotto, sondern via cpo in Osnabrück. Nicht aufhören, unbedingt weiter so!

[Ernst Richter, August 2016]

Meine „CD des Jahres“

Julia Lezhneva
Alleluja
Il Giardino Armonico / Giovanni Antonini

Antonio Vivaldi ( 1678-1741)   Georg Friedrich Händel (1685-1759)
Nicola Porpora (1686-1768)   Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791)

Decca  478 5242
ISBN: 0 28947 85242

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Alleluja (Lobet Jehovah) ist der Titel dieser CD, die für mich eigentlich so etwas wie eine „CD des Jahres“ ist, auch wenn sie schon 2013 erschien – jetzt erst landete sie als Geschenk auf meinem Gabentisch.

Um es gleich vorweg zu sagen: So berührend, ergreifend, frohmachend und herzerfüllend habe ich schon lange keine Sopranistin mehr singen – besser jubeln – gehört wie die junge, damals 23-jährige russische Sopranistin aus dem fernen Sachalin. Zusammen mit dem Ensemble „Il Giardino Armonico“ unter seinem  Leiter Giovanni Antonini gelingt hier eine ungeheuer musikalische Aufführung von vier Motetten, die jeweils mit einem „Alleluja“ enden. Als erstes eine tieftraurige, melancholisch-dramatische Komposition von Antonio Vivaldi, „In furore iustissimae irae“, ein eher wenig bekanntes Werk, das in der eindrucksvollen Kombination aus Schnelligkeit und Verhaltenheit – besonders im zweiten Satz – die ganze Bandbreite von Antonio Vivaldis Ausdrucksspektrum vorstellt. Es folgt die Motette „Saeviat tellus inter rigores“ von Georg Friedrich Händel: auch hier wieder eine gelungene Mixtur aus virtuosen und getragenen Passagen, bei der Julia Lezhneva alle Register ihrer meisterhaften Stimmführung und  -beherrschung zeigen kann, allerdings immer im Sinne der Frau Musica und nicht als Ego-Trip wie bei so vielen anderen Sängerinnen und Sängern.
Ihre Stimme ist auch in den bewegtesten Koloraturen leicht, sehr obertonreich, und dabei spürt man, dass sie eben keine Mädchenstimme hat, sondern trotz ihrer Jugend mit all ihrer Leiblichkeit und Körperlichkeit singt. Die hohen Töne kommen nicht als abgesetzte „Spitzentöne“, sondern im Zusammenhang der Bögen, zu denen diese entweder hinführen oder als deren Höhepunkt den Abfluss der Linie einleiten. Und all das „getoppt“ von einem Jubel-Laut im Singen, der besonders ans Herz rührt.

Obwohl ich ja sonst eine Lanze breche für die langsamen Tempi, die heute von den allermeisten Künstlern nicht adäquat erfasst werden – was sicher auch am vielen „Üben“ und am wenigen „Nachsinnen“ liegt – bin ich immer wieder überrascht, mit welchen Geschwindigkeiten das italienische Ensemble aufwartet. Und zwar nicht nur schnell, sondern dabei eben auch wunderbar phrasierend, allen Phänomenen gerecht werdend, und ebenso schnell vom Bewusstsein und vom Geist her. Mir fällt als positives Beispiel immer wieder auch der Jazz-Pianist Cecil Taylor ein, der eben nicht nur rasende Geschwindigkeit zaubert, sondern die nötigen geistigen Voraussetzungen für diese Tempi und die dann immer noch unerlässlichen und verständlichen Phrasierungen mitbringt.

Dann entstehen wie auf dieser CD Momente des Glücks und der Beschwingtheit, die süchtig machen können. Und zwar bei allen vier Stücken, von denen das von Nicola Porpora einen weniger bekannten, sehr melodiösen Komponisten vorstellt.
Dass die inzwischen berühmte Vivaldi-Aufnahme von Cecilia Bartoli bei der 11- oder12 jährigen Julia den speziellen „Kick“ auslöste, davon erzählt die junge Russin, aber eben auch von der Zusammenarbeit mit Giovanni Antonini, von der sie sicher umfassend profitierte.
Natürlich ist mit „Exsultate, iubilate“ von Mozart ein besonderes „Schmankerl“ an den Schluss dieser außergewöhnlichen Scheibe gesetzt, der auch ein mehrsprachiges Booklet mit allen Motetten-Texten beigefügt ist.

So küre ich mit Dank und Freude diese CD zu meiner „CD des Jahres 2015“ und bin gespannt darauf, was wir noch alles von Julia Lezhneva zu hören bekommen werden.

[Ulrich Hermann, Dezember 2015]